Podcast zum 1. Untersuchungsausschuss

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9. Sitzung am 11. Oktober 2018 – Über Schwarzfahrer und ein U-Boot

Über Schwarzfahrer und ein U-Boot

Parlamentarier besprechen langwierig ein Routineverfahren, während der Aufreger dieser Woche hinter verschlossenen Türen behandelt wird

 

Bastian Kioschis (Staatsanwaltschaft Offenburg)

Kaum 40 Minuten dauerte die Vernehmung eines Staatsanwaltes, der eine Schwarzfahrt des späteren Attentäters vom Breitscheidplatz nicht weiterverfolgte. Aufgrund des vorliegenden Namens und der bis dato sauberen Weste gab es keine Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung.

Da sich der Untersuchungsausschuss mehrheitlich darauf geeinigt hatte, die Vorgänge zwischen der Ankunft des späteren Attentäters und dem 19. Dezember 2016 chronologisch aufzuarbeiten, reiste der 1. Staatsanwalt Bastian Kioschis eigens aus Offenburg an. Die Faszination für einen juristischen Routinevorgang hält sich jedoch in Grenzen. Noch während der ersten Fragerunde winkt Niema Movassat mit einem freundlichen „Guten Tag Herr Kioschis. Wir von der Linksfraktion haben keine weiteren Fragen an Sie“ ab.

Linke und Grüne kritisieren die chronologische Aufarbeitung, die durch die Ausschussmehrheit von CDU/CSU und SPD als Rahmen gesetzt wird. Auf der Liste der weniger relevanten Zeugen standen bereits der Polizist, bei dem der spätere Attentäter Asyl beantragte, ein Staatsanwalt, der ein Routineverfahren wegen illegaler Einreise führte, sowie nun Kioschis, der selbstbewusst und souverän auftritt, sich aber der nachrangigen Bedeutung bewusst ist.

Ein zweiter Zeuge, der ins Visier der Obleute von CDU/CSU geriet, kann heute aufgrund einer Erkrankung nicht aussagen. Bahnbrechende Informationen seien vom ihm, dem Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung, ohnehin nicht zu erwarten, da er nach Aussagen der Oppositionsvertreter lediglich erklären würde, dass der spätere Attentäter niemals in der Erstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe aufgetaucht wäre.

U-Boot auf Schwarzfahrt

Medienberichte der Zeitung „Welt“ brachten in der vergangenen Woche eine „Schwarzfahrt“ der besonderen Art ans Tageslicht. Die Vertreterin des Bundesinnenministeriums Frau Dr. Haarmann hatte dem Untersuchungsausschuss verschwiegen, dass sie im Untersuchungszeitraum im Bundesamt für Verfassungsschutz eingesetzt war. Im Rahmen ihrer Aufgaben behandelte sie bis ins Jahr 2016 Fälle aus dem direkten Umfeld des späteren Attentäters und beobachtete Personen wie dessen Wohnungsgeber in Berlin und einen Kontakt zu einer Moschee in Dortmund.

Haarmann hatte in ihrer Funktion nicht nur Zugang zu allen Akten des Untersuchungsausschusses, sondern bearbeitete auch schon kurz nach dem Attentat parlamentarische Anfragen zum Fall. In öffentlichen Sitzungen intervenierte sie während der Aussagen von Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz und wollte selbst die Nennung von Personennamen nicht zulassen, die längst presseöffentlich durch Gerichtsverfahren bekannt waren.

Über einen Zeitraum von gut sechs Monaten nahm Haarmann an Beratungssitzungen teil, in denen die Obleute über den weiteren Ablauf der Ermittlungen sprachen, und begleitete auch die nicht-öffentlichen Zeugenvernehmungen.

Obwohl die Empörung über diesen Vertrauensbruch fraktionsübergreifend einhellig ist, fallen die Reaktionen der Parlamentarier_innen unterschiedlich aus. Während der Ausschussvorsitzende Armin Schuster (CDU/CSU) keine Einschränkungen für die Ausschussarbeit erkannt haben will, findet Martina Renner (Linksfraktion) deutlichere Worte: „Der Vorwurf ist nicht nur, dass man die Zeugeneigenschaft von Frau H. gegenüber dem Ausschuss absichtlich verschwiegen hat, sondern auch, dass die Zeugin H. ihre Rolle in diesem Ausschuss dazu genutzt hat, andere Zeugen und Zeuginnen zu beeinflussen, bestimmte Komplexe, Personen oder Themen nicht dem Ausschuss zu offenbaren.“

Sabotage des Ausschusses

Der Vorwurf steht im Raum, dass das Bundesinnenministerium den Ausschuss in seiner Arbeit behindert. Zum Rapport in nicht-öffentlicher Sitzung erschien der Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit im Bundesinnenministerium Stefan Kaller. „Uns trat das Ministerium mit einer Mischung aus Arroganz, Ignoranz und Respektlosigkeit entgegen. Ein Problembewusstsein war in keiner Weise erkennbar“, beschreibt Fritz Felgentreu (SPD) das Auftreten von Kaller.

Am Rande werden Vorwürfe laut, Obleute hätten den Namen von Dr. Haarmann öffentlich genannt und damit Schutzinteressen verletzt. Ein Name, der in öffentlichen Sitzungen auf einem Namensschild gut leserlich platziert war, während Haarmann in einer Funktion dort saß, die in vergleichbaren Ausschüssen erwartbar Gegenstand der Berichterstattung von Journalisten werden kann. Selbst wenn es ein legitimes Schutzinteresse für Haarmann gibt, ist es nach sechs Monaten öffentlicher Ausschussarbeit naiv, davon auszugehen, es würde ausreichen, künftig nur von „Frau Dr. H.“ zu sprechen.

Für die Ermittlungsarbeit der Parlamentarier bedeutet die Personalie der H. ein zusätzliches Pensum an Arbeit. Aussagen müssen erneut kritisch gelesen werden. An welchen Punkten intervenierte H. bei Zeugenaussagen? Welche Unterlagen zum Fall des Attentäters haben Schnittmengen mit den von H. bearbeiteten Fällen?

Arbeitserschwernisse, bei denen Martina Renner notfalls zu drastischen Mitteln greifen will, die über die Vereidigung von Zeuginnen und Zeugen hinausgehen. Renner zieht Mittel in Betracht, die bei einem Untersuchungsausschuss in den 1960ern zur Anwendung kamen: „Damals haben eine sehr selbstbewusste Opposition mit auch sehr selbstbewussten Parlamentariern der Regierungsparteien gemeinsam die Entscheidung getroffen, die Bundesregierung von einem Teil der Beweisaufnahme auszuschließen.“ Renner führt aus, dass es keinen Rechtsanspruch der Bundesregierung gibt, bei der Beweisaufnahme zugegen zu sein.

Aufklärung geht anders

Mit der Personalie H., die von einer Position der Exekutive aus in die Arbeit der Legislative wirkte und dort theoretisch auch die Möglichkeit hatte, eventuelle Versäumnisse zu kaschieren, stellte das Bundesinnenministerium nicht nur die Gewaltenteilung auf eine harte Probe. Auch in den Reihen der Opfer und Hinterbliebenen des Attentats herrscht über die aktuellen Entwicklungen im Ausschuss Unmut.

Bei einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel, die Aufklärung versprochen hat, drängten sie darauf, dass den Untersuchungsausschüssen ungeschwärzte Akten zur Verfügung gestellt werden. Die chronologische Vorgehensweise des Ausschusses wird dafür sorgen, dass die Aufarbeitung der Erlebnisse noch Jahre andauert. „Ich will wissen, was rund um den 19.12.2016 passiert ist und nicht, wann der Attentäter mal schwarzgefahren ist“, bringt es eine Hinterbliebene auf den Punkt.

UAPOD.Berlin – Folge 001 vom 13.09.2018

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Links zur Sendung:

7. Sitzung am 13. September 2018 – Mehr Aufklärung bitte!

Es darf getrost als leidiges Spiel der Bundesregierung bezeichnet werden: Auch im Untersuchungsausschuss zum Breitscheidplatzattentat werden wieder alle Register gezogen, um die Aufklärung zu verschleppen. Eine Strategie, die vor allem an den Nerven von Opfern und Hinterbliebenen zerrt.

Der Sitzungsstart nach der Sommerpause wirkt enthusiastisch. Der FDP-Obmann Benjamin Strasser verkündet via Pressemitteilung:

„Der Beschluss des BGH [Bundesgerichtshof] ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen im Ausschuss. Umfassende Aufklärung kann nur mit einem umfassenden Aktenbestand erfolgen. Das Mauern der Regierung ist bereits beim ersten Versuch krachend gescheitert! Es kann nicht Aufgabe der Opposition sein, sich jeden Zeugen und jede Akte vor einem Gericht erstreiten zu müssen.“

Gemeinsam mit Grünen und Linken hatte die FDP vor dem BGH geklagt. Sie wollen Zugang zu den Informationen beim Bundesnachrichtendienst (BND) und beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), die den Attentäter betreffen. Ein Täter, der sich nicht nur in Deutschland über alle Ländergrenzen hinweg bewegte und damit die föderalen Strukturen narrte, sondern auch international den Ermittlern und Geheimdiensten – so wirkt es im Nachhinein – scheinbar wie ein Stück Seife immer wieder entglitt.

Eher heiße Kartoffel als glitschige Seife

Nach der Erklärung, warum jedwede nationale und internationale Kooperation zwischen Geheimdiensten und Polizeien scheiterte, der Datenaustausch nicht zeitgerecht klappte und am Ende zwölf Menschen das Leben verloren sowie mindestens 147 Menschen seelische und körperliche Verletzungen davon trugen, sucht der Ausschuss seit April. Schon in den ersten Sitzungen wurde deutlich, dass der Attentäter wohl eher mit einer heißen Kartoffel zu vergleichen ist, die niemand lange in der Hand behalten wollte.

Hans-Georg Maaßen war die Kartoffel offenbar deutlich zu heiß. Im Abschlussbericht des Sonderbeauftragten Bruno Jost, der für den Berliner Senat das Handeln der Berliner Behörden, z. B. des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), untersuchte, heißt es:

„Soweit aus den hier vorliegenden Akten ersichtlich, spielten die deutschen Nachrichtendienste (hier BfV, LfV Berlin und BND) sowohl im Vorfeld des Anschlags vom 19.12.2016 als auch bei der Aufklärung und Aufarbeitung des Verbrechens eine bemerkenswert bedeutungslose Rolle.“

Eine Rolle, die der Sonderbeauftragte hinterfragte und daraufhin eine eindeutige Aussage erhielt:

„Das BfV hat hierzu auf meine Anfrage vom 10.5.2017 am 17.5.2017 mitgeteilt, es habe vor dem Anschlag keine eigenen Informationen zu AMRI besessen und auch keine eigene Informationsbeschaffung zu AMRI betrieben.“

Einsturz des Lügengebäudes

Seit der Presseberichterstattung über einen möglichen V-Mann im direkten Umfeld des Attentäters bröckelt das Bild von einem desaströsen Polizeieinsatz, das von Maaßen prominent befeuert wurde. „Wir hatten es hier mit einem reinen Polizeifall zu tun, der in den zuständigen Bundesländern bearbeitet wurde“, zitiert die Berliner Zeitung den Verfassungsschutzchef aus März 2017 und weiß auch um Maaßens weitere Äußerungen im Dezember 2017, die in die gleiche Richtung gehen.

Auch andere Bundesbehörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wirken der Aufklärung entgegen. Zeugen und Kontakte aus dem Umfeld des Attentäters gehen verloren. „Gefährder kann wegen Abschiebung nicht befragt werden“, berichtet rbb24 Ende Juli 2018 aus dem Untersuchungsausschuss des Berliner Senats.

Wie muss das auf die Opfer und Hinterbliebenen des Attentats wirken? Ihnen versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel schon am Morgen nach der Tat: „Sie wird aufgeklärt werden – in jedem Detail, und sie wird bestraft werden, so hart es unsere Gesetze verlangen.“?

Maaßen wird unhaltbar

Nach der Aussage der BfV-Analystin Lia Freimuth vor dem Untersuchungsausschuss könnte der Widerspruch nicht größer sein. Nach einigem Lavieren um die Aussagegenehmigung wird klar, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht nur schon wenige Monate nach der Ankunft von Amri in Deutschland begonnen hatte, eine Personenakte zu führen, sondern auch, dass nachrichtendienstliche Mittel zum Einsatz kamen.

Der spätere Attentäter sei mit mehreren Gefährdern vernetzt gewesen, die alle im Zuständigkeitsbereich der Bearbeiterin lagen. Mehr ist in der öffentlichen Sitzung nicht in Erfahrung zu bringen.

Die Aussage macht deutlich: Maaßen hätte mit einem frühzeitigen Eingeständnis der Kenntnisse über das Netzwerk auch die Abschiebung von Zeugen verhindern können.

Für keine Peinlichkeit zu schade

Unter den Augen von Angehörigen und Opfern des Breitscheidplatzattentates halten sich die Obleute und Parlamentarier der Kanzlerinnenpartei ausgiebigst mit Details der Ankunft des Attentäters in Deutschland auf. Ein Zeuge vom Polizeirevier Freiburg-Nord wird befragt, dessen Bedeutung für diesen Fall ebenso nachrangig ist wie die des Oberamtsanwalts aus Freiburg, der ein Standardverfahren abzuarbeiten hatte, das gegen jeden Asylbewerber angestrengt wird.

Wenig relevante Informationen erarbeiten und kein Fehlverhalten eingestehen – das scheint die Devise derjenigen zu sein, die der Regierung nahestehen. Behördenvertreter wie auch Parlamentarier der CDU/CSU. All das unter peinlich berührter Duldung durch den Koalitionspartner SPD, der auch in diesem Ausschuss wieder einmal nicht anders kann, als die CDU/CSU irgendwie gewähren zu lassen, zugleich aber nicht allzu abhängig aussehen will.

Als Beschäftigungstherapie für die Oppositionsparteien dürften die weiteren nötigen Klagen einzuordnen sein. Als Novum bezeichnet Martina Renner von der Linksfraktion die Verweigerung, einen V-Mann-Führer und Referatsleiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz laden zu dürfen.

Auch um die Aktenlage ist es nicht gut bestellt. Während der Sitzung arbeitete Konstantin von Notz in einem öffentlichen Disput mit dem Innenministerium heraus, dass wesentliche Akten – darunter auch die Personenakte des Attentäters, die im BfV geführt wurde – nicht zugeliefert wurden. Zeugen scheinen, wie auch in anderen Untersuchungsausschüssen, weiterhin in der Lage zu sein, sich umfangreich mit ungeschwärztem Aktenmaterial auf ihre Vernehmung vorzubereiten, das Abgeordneten, Obleuten und Ausschussmitarbeitern nicht einmal in umfassend geschwärzten Versionen vorliegt.

Respekt vor den Opfern fehlt

In einem offenen Brief bitten seit dieser Woche die Hinterbliebenen des Terroranschlages die Länder- und Bundesbehörden darum, „im Sinne einer umfassenden Aufklärung zusammen zu arbeiten“.

Der Behördenchef des BfV steht nach wie vor an die Spitze einer Desinformationskampagne, die alle Verantwortung den Länderpolizeien zuschiebt, statt im Sinne einer zeitgemäßen Fehlerkultur einzugestehen, dass es Fehleinschätzungen oder Informationsdefizite gegeben hat.

Stattdessen hätte Maaßen den Geheimdienstgremien, Innenausschüssen und Sonderermittlern auch Fakten liefern können, die begründen, warum eine Geheimhaltung weiterhin zwingend erforderlich ist. Doch Maaßen bevorzugt Lügen. Unter diesen Voraussetzungen kann die Kanzlerin ihr Versprechen nicht einlösen.

4. Sitzung am 7. Juni 2018 – Vergeltungsschlag zu später Stunde

Vergeltungsschlag zu später Stunde

Nicht zum ersten Mal in einem Untersuchungsausschuss kommen brisante Themen erst dann auf den Tisch, wenn es kaum ein Zuschauer noch mitbekommt.

Die Besuchertribüne ist an diesem Donnerstag kaum gefüllt. Etwas mehr als 20 Personen sind anwesend. Etwa die Hälfte Journalisten, die Mehrheit aus dem Bereich der Printmedien. Die TV-Kameras zeichnen kurz einige Auftaktstatements der Obleute auf und schießen ein paar Bilder vom ersten Zeugen. Prof. Dr. Bernhard Kretschmer wird zu einem Gutachten befragt, das er bereits vor dem NRW-Untersuchungsausschuss präsentiert hat.

Dr. Bernhard Kretschmer

Nach gut 90 Minuten unterbricht eine namentliche Abstimmung den Sitzungsverlauf für fast eine Stunde. Das schlägt sich auf der Besuchertribüne nieder. Als die Sitzung fortgesetzt wird, sind nur noch etwa die Hälfte der Personen anwesend, die zu Sitzungsbeginn der Befragung lauschten. Manch ein Pressevertreter schaut nur einmal kurz vorbei. Eine Kollegin arbeitet an so vielen Themen im parlamentarischen Betrieb, dass auch sie irgendwann dem nächsten Thema hinterhereilen muss.

Stunde um Stunde leert sich die Tribüne. Eine Kontroverse unter den Abgeordneten will geklärt werden. Man geht in eine kurze nichtöffentliche Beratungssitzung. Wieder fehlen ein paar Zuschauer und Pressevertreter, als die Sitzung schließlich fortgesetzt wird. Eine solche Entwicklung ist verlässlich und tritt nicht nur in diesem Untersuchungsausschuss zutage. Weiterlesen

3. Sitzung am 17. Mai 2018 – Salonlöwen im Terrorabwehrzentrum

Salonlöwen im Terrorabwehrzentrum

Weitgehend ohne öffentliches Interesse fand die dritte öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Attentat am Breitscheidplatz statt

Die Besucherränge sind kaum gefüllt und leeren sich zusehends über den Sitzungsverlauf. Zugegeben, sich entlang des Themas „Förderale Sicherheitsarchitektur“ acht eingeladene Experten anzuhören, ist nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig, obgleich Professor Doktor Heinrich Amadeus Wolff von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth eine faktenreiche und pointierte Analyse liefert und sich am Ende der Sitzung „am liebsten die Haare raufen würde, wenn ich denn welche hätte“.

Neben den Rechtswissenschaftlern sollen Jürgen Maurer als Vizepräsident a. D. des Bundeskriminalamtes und Heinz Fromm als ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus der Praxis berichten.

Für und gänzlich im Sinne der AfD argumentiert aus der Praxis Otto Dreksler. Der leitende Polizeidirektor a. D. ist mit seinen Ansichten mehrfach Anlass dafür, dass sich die Rechtsexperten in der Runde bei nächster Gelegenheit noch einmal explizit für die förderalen Strukturen der Bundesrepublik aussprechen.

Strukturen, die für Dreksler ein „Bremswirkung“ haben. Strukturen, die laut Dreksler so viele Informationen angehäuft haben, dass relevante Erkenntnisse angeblich nicht mehr zu finden seien. Schuld an dem Informationsüberfluss wären die Flüchtlingsströme und eine Polizei könne natürlich nur deswegen nicht richtig arbeiten, weil Racial Profiling verboten sei, wie Thomas Seitz (AfD) durch seine Fragestellung insinuiert. Eine Fragestellung, die zu einer kurzen Beratungssitzung führt, an deren Ende Seitz jedoch in gleicherweise fragen darf, wie zuvor.

Heil dürfte in einer zentralistischen Struktur kaum zu finden sein. Schon der Blick nach Frankreich genüge als abschreckendes Beispiel, wie die Experten entgegenhalten.

Förderalismus: Ja!

In der Kritik der Experten steht vor allem das gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAz). Eine im Jahr 2004 oberhalb der Strukturen der Länder geschaffene Institution, die bisher nur mit wenigen Befugnissen ausgestattet ist, aber auf sämtliche Daten der Geheimdienste und Polizeien der Bundesländer zugreifen kann. Theoretisch.

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2. Sitzung am 26. April 2018 – Anekdotische Evidenz ist hier nicht gefragt

Anekdotische Evidenz ist hier nicht gefragt

Die Expertenanhörung „Gewaltbereiter Islamismus und Radikalisierung“ soll den Obleuten im Breitscheidplatz-Untersuchungsauschuss das Fundament für ihre Arbeit liefern.

Eine Runde aus sechs Männern und zwei Frauen – selten sind so viele Experten gleichzeitig vor einem Untersuchungsausschuss, um den Obleuten Wissen zu vermitteln. Neben Vertretern aus der Wissenschaft berichten Experten aus Verwaltung und Zivilgesellschaft vor allem zum Thema Prävention. Auch die Sicherheitsbehörden sind mit einem LKA-Mann und einem ehemaligen Verfassungsschützer repräsentiert. Ein ausgewogenes Panel an Expertise, das von den Fraktionen eingeladen wurde.

Fragwürdiger Experte

Auch die AfD hat mit Imad Karim einen Experten eingeladen, der offenbar wegen seiner Zugehörigkeit zum muslimischen Kulturkreis und seiner journalistischen Arbeit berufen wurde. Karim führt aus, der Islamismus würde Politik und Religion vermischen. Ein Allgemeinposten aus der Diskussion der letzten Jahre. Karim provoziert, rät Muslimen dazu, ihren Glauben an den Propheten Mohammed zu überwinden, und zieht Vergleiche zu den Rassengesetzen der Nationalsozialisten. In einer kurzen nicht-öffentlichen Beratungssitzung besprechen die Obleute, wie mit dem offensichtlich nicht unabhängigen Experten zu verfahren ist. Karim sitzt seit März 2018 im Kuratorium der von Erika Steinbach geleiteten AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Schlussendlich gibt sich Karim beleidigt, dass außer von der AfD-Obfrau Beatrix von Storch überwiegend keine Fragen an ihn gerichtet werden. Es scheint, als verwechsele die AfD den Untersuchungsausschuss mit einer Wahlkampfveranstaltung oder einem der montäglichen Pegida-Aufmärsche.

Radikalisierung braucht keine Religion

Die Ursachen für eine Radikalisierung sind vielfältig und nicht vorhersehbar. Die Expertenrunde beschreibt, dass Radikalisierung kein linearer Prozess ist und letztlich ausschließlich in den Menschen begründet ist, die sich radikalisieren. Anlässe gäbe es jedoch zuhauf. So neigten ausgegrenzte und sozial isolierte Jugendliche eher dazu, sich radikalen Positionen zu verschreiben, um sich anschließend darüber zu definieren. Für manche führe die Radikalisierung dann auch zum Terrorismus

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