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In dieser Folge berichten wir von einem Novum im Ausschuss: eine Gegenüberstellung. Drei Zeugen wurden zeitgleich gehört um Widersprüche aus dem Weg zu räumen. Philipp Klein, Erster Kriminalhauptkommissar beim BKA, Herr M., Leiter der EK Ventum / LKA NRW und den Generaslbundesanwalt Dieter Killmer vom Bundesgerichtshof. Im Raum stand die Frage nach dem Zwiegespräch zwischen Herrn Klein und Herrn M. Haben das BKA und das Innenministerium veranlasst, dass die VP01 aus dem Verkehr gebracht werden soll?
Im Anschluss folgen die Statements zur Sitzung von Fritz Felgentreu (SPD), Irene Mihalic (Grüne), Volger Ullrich (CDU) und Benjamin Strasser (FDP).
Artikel dazu von Daniel Lücking aus dem Blog „der Freitag“
Aussage gegen Aussage
Eiligst dementierte das Bundesinnenministerium die Aussage eines Landespolizisten. In der Gegenüberstellung litt jetzt die Glaubwürdigkeit des Bundeskriminalamtes.
„Bereits ein inhaltliches Vieraugengespräch hat es nicht gegeben.“ Die Worte von Ministeriumssprecher Steve Alter in der Regierungspressekonferenz vom 15.11.2019 wogen schwer. Nur wenige Stunden nach der Aussage von Kriminalhauptkommissar KHK M. vom Landeskriminalamt Nordrheinwestfalen dementierte das Bundesinnenministerium die Aussage des Polizisten. Stringent und überzeugend hatte er zu Protokoll gegeben, auf Geheiß „von ganz oben“ sei der Fall des späteren Attentäters nicht auf der Ebene der Bundesbehörden zu bearbeiten gewesen.
Vier Wochen später sitzt KHK M. erneut im Bundestag. Das es ein aufwühlendes Vieraugengespräch gegeben haben muss, bestätigt an diesem Tag Dieter Killmer von der Generalbundesanwaltschaft.
Am 23. Februar 2016 hatte KHK M. nicht nur mit Killmer über den Inhalt gesprochen. Auch Bundesanwältin Claudia Gorf wurde ins Vertrauen gezogen und riet KHK M sich auch an Bundesanwalt Horst Salzmann zu wenden, so heißt es. Die Aussagen von Killmer und KHK M. stehen im Widerspruch zur Regierungslinie. Doch welche Gründe sollten sie haben, sich selbst und weitere Kollegen unter Wahrheitspflicht so zu belasten?
Jungfrauen und Kinder
Im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum GTAZ wird im Februar 2016 gestritten. Während das LKA NRW in mehreren Sitzungen das Bundeskriminalamt BKA ersucht hat, den Fall des späteren Attentäters zu übernehmen, mauert vor allem Philipp Klein von der Zentralstelle für Gefährdungsbewertung des BKA.
Klein wollte damals nicht glauben, dass eine Quelle des Landeskriminalamtes NRW – die VP-01 – mit den Anschlagswarnungen so richtig liegen könne. Niemals in der Geschichte der Bundesrepublik habe eine einzelne Quelle zu mehreren Anschlagsplanungen Informationen beschaffen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Quelle zwei Mal so dicht an Attentätern und deren Anschlagsplanungen dran sei, sei wie „zwei Sechser im Lotto in einer Woche“, gibt Klein mehrfach und wortreich zu Protokoll.
Ein rund anderhalbstündiges Eingangsstatement ist der Auftakt zu einer Zeugenaussage, die etwa sechs Stunden dauert. Sechs Stunden, in denen Philipp Klein semantische Pirouetten dreht und Wortklaubereien an den Tag legt. Man müsse deutlich zwischen der Glaubhaftigkeit von Informationen und der Glaubwürdigkeit einer Quelle unterscheiden, argumentiert Klein und ignoriert, dass eine Quelle, die keine glaubhaften Informationen liefert gemein hin auch nicht als glaubwürdig wahrgenommen wird. „Ich habe es vorhin schon gesagt, aber ich sage es gerne noch einmal“ wiederholt sich Klein schon im Eingangsstatement und auch später in der Aussage. Er strapaziert immer wieder mit ausweichenden Anworten die Geduld der Abgeordneten.
Opfer einer Intrige?
Der 39-jährige Klein schildert sein Dilemma. Die Behauptung es habe ein
Vieraugengespräch gegeben, sowie die Inhalte daraus könne er schwerlich
widerlegen. Klein nimmt damit indirekt vorweg dass er bereit ist,
Aussage gegen Aussage stehen zu lassen. Doch schon als es um das
Vieraugengespräch geht, muss er einschränken. Er kann nicht
ausschließen, dass ein persönliches Gespräch zwischen KHK M. und ihm
stattgefunden habe. Vielleicht auf dem Weg zur Toilette oder auf dem Weg
die Treppe hinunter.
Definitiv aber könne er ausschließen,
dass es um die Inhalte gegangen sei – eine Weisung von ganz oben – die
KHK M. in seiner Aussage geschildert hat. In anderen Punkten seiner
Aussage argumentiert sich Klein vordergründig unangreifbar und
verstrickt sich später doch in Widersprüche und Seltsamkeiten. Klein
beharrt darauf, dass es kein Übernahmeersuchen gegeben hat und muss im
Laufe der Aussage wieder einschränken und präzisieren. Die Protokolle
aus dem GTAZ belegen ein Übernahmeersuchen.
Ein solches Ersuchen
ist für Klein erst dann relevant, wenn es schriftlich vorgebracht wird.
Obfrau Irene Mihalic (B90/Grüne) lässt diese Ausrede nicht gelten.
Mihalic macht klar, dass im Gesetz ein Übernahmeersuchen an das BKA an
keine spezielle Form gebunden ist. Für Klein ist es das Signal nun
deutlich zu machen, dass er ein Übernahmeersuchen nur dann akzeptiert,
wenn es von der Behördenleitung vorgebracht wird und nicht von einem
Sachbearbeiter im GTAZ.
Klein gleitet in seinen Rechtfertigung
zusehends ab. Die Abgeordneten wollen wissen, warum sich die Bundesebene
nicht eingeschaltet hat als ersichtlich wurde, dass der spätere
Attentäter über die Grenzen von Bundesländern hinweg agierte. Klein
meint, das LKA NRW sei kompetent genug gewesen, um den Fall in eigener
Zuständigkeit zu bearbeiten.
„Mit ihrer Argumentation könnte man den Paragrafen 4a aus dem BKA-Gesetz streichen“, hält Irene Mihalic die Gesetzesgrundlage vor, die Klein hätte wählen müssen. Eine Zuständigkeit seiner Behörde will dieser jedoch nicht sehen. Er konstruiert, es müssten schon mehrere Bundesländer beteiligt sein damit das BKA überhaupt tätig werden könne.
Die Faktenlage spricht gegen Kleins Ansicht: Bis zum Februar 2016 waren es bereits drei Bundesländer, in denen sich der spätere Attentäter bewegt hatte: Nordrheinwestfalen, Berlin und Niedersachen .
Sachkundige
Ausschusskreise wundern sich zudem über die steile Karriere des
BKA-Mannes Klein, der seit Einstellung in den gehobenen Polizeidienst im
Jahr 2001 nach jedem Beurteilungstermin befördert wurde. Eine solche
Karriere sei „mindestens ungewöhnlich“ und sorgt für Verwunderung
angesichts der von Klein getätigten Aussagen.
Gegenüberstellung
Es ist ein neues Format, das gegen 21 Uhr 30 im Saal 4.900 des Bundestags zur Anwendung kommt. Der Ausschuss entscheidet sich für eine Gegenüberstellung der drei Zeugen dieses Tages. Ein Vorteil: Widersprüche können zeitnah diskutiert werden.
Philipp
Klein passt seine Sprache an. Neben den klaren und strukturiert
gewählten Worten von KHK M und dem ebenso sachlich agierenden Killmer,
ist kein Platz mehr für Ausschweifungen und Wiederholungen. Wohl aber
für eine gespielt wirkende Empörung, mit der Klein auf die Ausführungen
von KHK M. reagiert, der nun direkt neben ihm sitzt.
KHK M.
trägt sachlich und selbstkritisch vor. Bundesanwalt Killmer räumt ein
sich nicht mehr an die Inhalte, wohl aber an einen sehr emotionalen und
aufgewühlten KHK M. erinnern zu können, der ihm von einem äußerst
problematischen Vieraugengespräch berichtet hat. Klein gerät zusehends
unter Druck.
Kurz vor der Sitzung hatte das Rechercheteam des
WDR aus E-Mails zitiert, die Klein nun belasten. Mit seinen Vorgesetzten
Sven Kurenbach und Martin Kurzhals hatte Philipp Klein hochgradig
emotional diskutiert. Von einem „Schlupfloch“ das geschaffen werden
müsse war die Rede. Die VP-01 konnte man offenbar nicht gänzlich
unglaubwürdig schreiben. Klein ließ sich jedoch weiter ein und
bezichtigte im gleichen Mailaustausch das LKA NRW der „Lüge“, warf
„hochgradig unprofessionelles“ Verhalten vor und schrieb von
„Trostlosigkeit“ der Fakten des LKA NRW.
Klein argumentiert
seine seltsam verzweifelt wirkende Wortwahl in den Bereich eines
Jargons, den Kollegen untereinander pflegen würden und der nicht für die
Öffentlichkeit bestimmt sei. Auf Benjamin Strasser (FDP) wirkt das
dokumentierte Verhalten Kleins im GTAZ und in den E-Mails geradezu
bockig. Es könne schlicht nicht sein, dass eine Quelle zu zwei
Anschlagssachverhalten zuverlässig Informationen liefere, war damals
Kleins Linie.
„Das ist auszuschließen, sagt die Jungfrau bevor
sie schwanger ist! Einmal ist immer das erste Mal!“, sei die Reaktion
von Bundesanwalt Horst Salzmann darauf gewesen, beschreibt KHK M.
Wem glauben?
„Wenn ich das hier vergleiche mit dem was uns schriftlich vorliegt, ergibt sich aus den Schilderungen von Herrn M. ein in sich ein geschlosses Bild, ein Bild, das man nachvollziehen kann. Warum sollte Herr M. gelogen haben?“ eröffnet Fritz Felgentreu (SPD) dem Zeugen Klein eine Möglichkeit, seine unter Wahrheitspflicht getroffenen Aussagen zu revidieren. Klein nimmt diese nicht an und belässt es beim Stand Aussage gegen Aussage.
Die Selbstverständlichkeit mit der die Bundesregierung auch nach dieser Sitzung hinter den Aussagen von Philipp Klein steht, gibt Rätsel auf. Aus ihrer Sicht hat die Sitzung keinen Grund geliefert, um von der getroffenen Einschätzung abzuweichen.