Podcast zum 1. Untersuchungsausschuss

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8. Sitzung am 27. September 2018 – Semantisches Schmierentheater

Semantisches Schmierentheater

Untersuchungsausschuss Heute hüh, morgen hott! Was zunächst als offener Widerspruch gegenüber Hans-Georg Maaßen galt, wird nun revidiert. Der Verfassungsschutz rudert zurück

Gilbert Sibertz vom Bundesamt für Verfassungsschutz

Heute hüh, morgen hott … Was in der vergangenen Sitzung noch als offener Widerspruch gegenüber dem Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen galt, wurde in der Sitzung vom 27. September 2018 durch einen Vorgesetzten revidiert. Der Verfassungsschutz rudert zurück.

Das vom Verfassungsschutz für seine Mitarbeiterin gewählte Pseudonym „Freimuth“ ordnet Wikipedia als bei Schriftstellern beliebt ein, „die damit signalisierten, dass der Inhalt ihrer Veröffentlichung um seiner Offenheit willen nur unter Pseudonym veröffentlicht werden könne.“

Während der Aussage von Lia Freimuth wurde klar, dass sie im offenen Widerspruch zu jenem Narrativ steht, das vom Noch-Behördenleiter Hans-Georg Maaßen so sorgsam verbreitet wurde.

Zwei Wochen später steht ihre Aussage im Widerspruch zu einem weiteren Vorgesetzten: Zeuge Gilbert Siebertz ist Islamwissenschaftler und leitender Regierungsdirektor. Sein Dienstposten ist zwei Verantwortungsebenen höher angesiedelt als der von Lia Freimuth. Getreu dem vertrauten Motto einer jeden Hierarchie – „Ober sticht Unter“ – rückt Siebertz die Aussage seiner Mitarbeiterin nun ins rechte Licht.

 

Fachkompetenz im Arbeitsbereich

Wie nah er noch an konkreten Themen rund um den Islamismus arbeitet, lässt sich angesichts seiner Führungsverantwortung für fünf Referate mit untergeordneten Referatsleitern und Referentinnen wie Lia Freimuth nur schwierig herausfinden. In seiner Funktion war Siebertz zwar an der Beantwortung mehrerer kleiner Anfragen des Bundestages rund um den Themenkomplex beteiligt, schaffte es aber in keine der elf Sitzungen im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ), in denen der Attentäter im Jahr 2016 vor dem Anschlag ein Thema war.

Obgleich seine Mitarbeiterin beschrieb, dass es eine Personenakte zum Attentäter gegeben hätte, dieser auch in mehreren Sachakten vorgekommen und mehrfach im Beisein der Kriminalämter und der Verfassungsschützer ein Thema im GTAZ gewesen wäre, äußert Siebertz gegenüber dem Ausschussvorsitzenden Armin Schuster (CDU/CSU):

Siebertz: „Nein, wir haben ihn nicht nachrichtendienstlich überwacht.“
Schuster: „Haben Sie nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt?“
Siebertz: „Das kommt auf die Definition an. … Wir haben V-Leute in Betracht gezogen.“

Im vermeintlichen Umfeld des späteren Attentäters wurden im Februar und März 2016 sogenannte Lichtbildvorlagen gezeigt. Ein Vorhalt ohne Nennung eines Namens oder eines konkreten Verdachts. Jedenfalls formal, wenn man davon absieht, dass es sich bei den fragenden Personen um Verfassungsschützer und bei den gefragten um Menschen muslimischen Glaubens handelt. Die so angesprochenen Quellen vermochten sich erst nach dem Attentat an die Person des Attentäters zu erinnern.

Für Zeuge Siebertz sind all diese Maßnahmen aber kein Grund, an der Aussage seines Amtschefs zu rütteln, und auch er gibt an, der Attentäter wäre ein „reiner Polizeifall“ gewesen und die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden im GTAZ sei gut.

 

Semantische Haarspaltereien

Dass in der Öffentlichkeit durch den Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) der Eindruck entstanden sei, es hätte sich um einen „reinen Polizeifall“ gehandelt, bezeichnet er als missverständlich formuliert. Schließlich kämen bei einer nachrichtendienstlichen Beobachtung nicht zwingend auch ,nachrichtendienstliche Mittel“ zum Einsatz.

„Missverständlich, aber nicht falsch“ wären auch wohl die Antworten auf kleine Anfragen gewesen, gibt der Beamte zu Protokoll, während im Saal die Lust auf semantische Haarspaltereien längst vergangen ist. Auf die direkte Frage „Wie viele V-Leute hatten Sie in der Fussilet-Moschee, die nicht mit dem Auftrag da rein sind, aber mit dem Attentäter Kontakt hatten?“ erhält der Ausschussvorsitzende Armin Schuster den Platzverweis vom Innenministerium: „Nur in geheimer Sitzung.“

Für die Zuschauenden bleibt die Frage, wann die Behördenleitung des BfV Sprach- und Semantikkurse erhält, damit ihre Antworten und Meldungen nicht wiederholt so „missverständlich, aber nicht falsch“ in die Öffentlichkeit gelangen.

Für weitere Erläuterungen ihrer Zeugenaussage hoffen die Ausschussmitglieder der Grünen und der Linksfraktion nun auf eine baldige Genesung der Zeugin Lia Freimuth, die aus gesundheitlichen Gründen heute nicht erneut befragt werden konnte.

Neben Siebertz wurde an diesem Tag erneut in geheimer Sitzung der Sonderbeauftragte des Landes Berlin Bruno Jost gehört, sowie ein weiterer Zeuge des BfV, der als V-Mann-Führer eingesetzt war.

5. Sitzung am 14. Juni 2018 – Terror Plangemäß verwalten

Terror plangemäß verwalten

Untersuchungsausschuss Während die CDU/CSU mit internen Querelen den Parlamentsbetrieb blockierten, warteten Opfer und Angehörige des Attentats vom Breitscheidplatz auf den Sitzungsbeginn.

Eine Handvoll Journalisten wartet gemeinsam mit Opfern und Angehörigen im Bundestag. „Sitzungsbeginn 12 Uhr“ – das Display vor dem Saal 4.900 im Paul-Löbe-Haus liegt sehr oft falsch, wenn es darum geht, den Sitzungsbeginn kundzutun. Mal verlängert sich eine Beratungssitzung. Mal sorgt eine namentliche Abstimmung für einen verspäteten Beginn. Heute ist es die CDU/CSU-Fraktion. Offenbar haben sich Teile der CSU dazu entschlossen, den Koalitionsvertrag aggressiv nachverhandeln zu wollen. Man spricht von Asylstreit und setzt bildlich gesprochen Angela Merkel die Waffe auf die Brust: „Entweder du tust, was wir wollen, oder wir machen, was wir wollen.“ Ob, wann und wie dieser Schuss für die CSU nach hinten losgeht, werden die nächsten Tage zeigen.

Arbeitspläne

Der Ausschussvorsitzende Armin Schuster (CDU/CSU) erhält kurz vor Sitzungsbeginn von einem Überlebenden und Ersthelfer eine schriftliche Aussage, die Beamte des BKA bereits vor über einem Jahr entgegennahmen. Passiert ist seither nichts. Der Mann will Aufklärung und wartet seit nun fünf Stunden geduldig auf den Sitzungsbeginn. Politik und Behörden indes haben Zeit.

Ausschuss ist das, was passiert, während die Tagesordnung etwas anderes sagt. Von den insgesamt vier Zeugen bleiben an diesem Tag nur noch zwei. Zeuge Gilbert Siebertz vom Bundesamt für Verfassungsschutz wurde schon lange vor den CDU/CSU-Querelen aus Zeitgründen von der Liste gestrichen. Die Tagesordnung war mit vier Zeugen deutlich zu ambitioniert. Von Siebertz erhofften sich die Abgeordneten Hinweise auf V-Leute im Umfeld des Attentäters. Da es um eine Geheimdienstangelegenheit geht, sperren sich die zuständigen Stellen im Kanzleramt und bei den Geheimdiensten jedoch gegen die Herausgabe von Akten. Zudem dürften Zeugen aus den verantwortlichen Behörden auch in diesem Ausschuss wieder über strikt formulierte Aussagegenehmigungen an der kurzen Leine gehalten werden.

Axel Kühn (BKA/Staatsschutz)

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1. Sitzung 19. April 2018 – Ein Anschlag – Ein Ausschuss – Viele Fragen

Der Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zum Attentat vom Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016 eingesetzt, der nun zum ersten Mal öffentlich tagte.

Der Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zum Attentat vom Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016 eingesetzt, der nun zum ersten Mal öffentlich tagte. In der ersten Sitzung waren Experten zum Thema Asyl- und Aufenthaltsrecht geladen. Ein Fragenkomplex von vielen.

Für die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden dürfte vor allem die Frage nach der Verantwortung im Raum stehen. Wie konnte dieser Anschlag passieren? Warum haben Behörden, die doch scheinbar alle Informationen über den Attentäter zur Verfügung hatten, den Gefährder nicht festgenommen? Wie groß die Aufgabe ist, macht der Ausschussvorsitzende Armin Schuster (CDU/CSU) zu Beginn deutlich.
Es sind rund 50 Behörden, deren Arbeit im Laufe der nächsten Jahre zu untersuchen sein wird. „Wichtig bleibt: wir dürfen die Überlebenden und Opfer des Anschlags bei aller politischen Diskussion nicht vergessen, “ sagt Schuster.

Überfordert

Die geladenen Rechtsexperten zeichnen einhellig das Bild einer überforderten Verwaltung. Überfordert vor allem dadurch, dass sich das Asyl- und Aufenthaltsrecht so schnell und so oft änderte. Rund 30 Änderungen seit 2011 – insgesamt vier bis fünf pro Jahr – brachten die mit der Umsetzung beauftragten Menschen an die Grenze des leistbaren. „Das änderte sich so schnell, dass wir schon gar keine Kommentierungen mehr erstellen konnten. Extrem schwierig für Praktiker“ sagt Anwalt Thomas Oberhäuser und der Fachanwalt für Migrationsrecht pflichtet ihm bei: „Etwas mehr Gelassenheit bei der Gesetzgebung wäre hilfreich für die Anwender.“ Weiterlesen