Podcast zum 1. Untersuchungsausschuss

Schlagwort: Bundesamt für Verfassungsschutz (Seite 1 von 1)

UAPOD.Berlin – Folge 001 vom 13.09.2018

avatar
Stella Schiffczyk
avatar
Daniel Lücking

Links zur Sendung:

7. Sitzung am 13. September 2018 – Mehr Aufklärung bitte!

Es darf getrost als leidiges Spiel der Bundesregierung bezeichnet werden: Auch im Untersuchungsausschuss zum Breitscheidplatzattentat werden wieder alle Register gezogen, um die Aufklärung zu verschleppen. Eine Strategie, die vor allem an den Nerven von Opfern und Hinterbliebenen zerrt.

Der Sitzungsstart nach der Sommerpause wirkt enthusiastisch. Der FDP-Obmann Benjamin Strasser verkündet via Pressemitteilung:

„Der Beschluss des BGH [Bundesgerichtshof] ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen im Ausschuss. Umfassende Aufklärung kann nur mit einem umfassenden Aktenbestand erfolgen. Das Mauern der Regierung ist bereits beim ersten Versuch krachend gescheitert! Es kann nicht Aufgabe der Opposition sein, sich jeden Zeugen und jede Akte vor einem Gericht erstreiten zu müssen.“

Gemeinsam mit Grünen und Linken hatte die FDP vor dem BGH geklagt. Sie wollen Zugang zu den Informationen beim Bundesnachrichtendienst (BND) und beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), die den Attentäter betreffen. Ein Täter, der sich nicht nur in Deutschland über alle Ländergrenzen hinweg bewegte und damit die föderalen Strukturen narrte, sondern auch international den Ermittlern und Geheimdiensten – so wirkt es im Nachhinein – scheinbar wie ein Stück Seife immer wieder entglitt.

Eher heiße Kartoffel als glitschige Seife

Nach der Erklärung, warum jedwede nationale und internationale Kooperation zwischen Geheimdiensten und Polizeien scheiterte, der Datenaustausch nicht zeitgerecht klappte und am Ende zwölf Menschen das Leben verloren sowie mindestens 147 Menschen seelische und körperliche Verletzungen davon trugen, sucht der Ausschuss seit April. Schon in den ersten Sitzungen wurde deutlich, dass der Attentäter wohl eher mit einer heißen Kartoffel zu vergleichen ist, die niemand lange in der Hand behalten wollte.

Hans-Georg Maaßen war die Kartoffel offenbar deutlich zu heiß. Im Abschlussbericht des Sonderbeauftragten Bruno Jost, der für den Berliner Senat das Handeln der Berliner Behörden, z. B. des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), untersuchte, heißt es:

„Soweit aus den hier vorliegenden Akten ersichtlich, spielten die deutschen Nachrichtendienste (hier BfV, LfV Berlin und BND) sowohl im Vorfeld des Anschlags vom 19.12.2016 als auch bei der Aufklärung und Aufarbeitung des Verbrechens eine bemerkenswert bedeutungslose Rolle.“

Eine Rolle, die der Sonderbeauftragte hinterfragte und daraufhin eine eindeutige Aussage erhielt:

„Das BfV hat hierzu auf meine Anfrage vom 10.5.2017 am 17.5.2017 mitgeteilt, es habe vor dem Anschlag keine eigenen Informationen zu AMRI besessen und auch keine eigene Informationsbeschaffung zu AMRI betrieben.“

Einsturz des Lügengebäudes

Seit der Presseberichterstattung über einen möglichen V-Mann im direkten Umfeld des Attentäters bröckelt das Bild von einem desaströsen Polizeieinsatz, das von Maaßen prominent befeuert wurde. „Wir hatten es hier mit einem reinen Polizeifall zu tun, der in den zuständigen Bundesländern bearbeitet wurde“, zitiert die Berliner Zeitung den Verfassungsschutzchef aus März 2017 und weiß auch um Maaßens weitere Äußerungen im Dezember 2017, die in die gleiche Richtung gehen.

Auch andere Bundesbehörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wirken der Aufklärung entgegen. Zeugen und Kontakte aus dem Umfeld des Attentäters gehen verloren. „Gefährder kann wegen Abschiebung nicht befragt werden“, berichtet rbb24 Ende Juli 2018 aus dem Untersuchungsausschuss des Berliner Senats.

Wie muss das auf die Opfer und Hinterbliebenen des Attentats wirken? Ihnen versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel schon am Morgen nach der Tat: „Sie wird aufgeklärt werden – in jedem Detail, und sie wird bestraft werden, so hart es unsere Gesetze verlangen.“?

Maaßen wird unhaltbar

Nach der Aussage der BfV-Analystin Lia Freimuth vor dem Untersuchungsausschuss könnte der Widerspruch nicht größer sein. Nach einigem Lavieren um die Aussagegenehmigung wird klar, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht nur schon wenige Monate nach der Ankunft von Amri in Deutschland begonnen hatte, eine Personenakte zu führen, sondern auch, dass nachrichtendienstliche Mittel zum Einsatz kamen.

Der spätere Attentäter sei mit mehreren Gefährdern vernetzt gewesen, die alle im Zuständigkeitsbereich der Bearbeiterin lagen. Mehr ist in der öffentlichen Sitzung nicht in Erfahrung zu bringen.

Die Aussage macht deutlich: Maaßen hätte mit einem frühzeitigen Eingeständnis der Kenntnisse über das Netzwerk auch die Abschiebung von Zeugen verhindern können.

Für keine Peinlichkeit zu schade

Unter den Augen von Angehörigen und Opfern des Breitscheidplatzattentates halten sich die Obleute und Parlamentarier der Kanzlerinnenpartei ausgiebigst mit Details der Ankunft des Attentäters in Deutschland auf. Ein Zeuge vom Polizeirevier Freiburg-Nord wird befragt, dessen Bedeutung für diesen Fall ebenso nachrangig ist wie die des Oberamtsanwalts aus Freiburg, der ein Standardverfahren abzuarbeiten hatte, das gegen jeden Asylbewerber angestrengt wird.

Wenig relevante Informationen erarbeiten und kein Fehlverhalten eingestehen – das scheint die Devise derjenigen zu sein, die der Regierung nahestehen. Behördenvertreter wie auch Parlamentarier der CDU/CSU. All das unter peinlich berührter Duldung durch den Koalitionspartner SPD, der auch in diesem Ausschuss wieder einmal nicht anders kann, als die CDU/CSU irgendwie gewähren zu lassen, zugleich aber nicht allzu abhängig aussehen will.

Als Beschäftigungstherapie für die Oppositionsparteien dürften die weiteren nötigen Klagen einzuordnen sein. Als Novum bezeichnet Martina Renner von der Linksfraktion die Verweigerung, einen V-Mann-Führer und Referatsleiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz laden zu dürfen.

Auch um die Aktenlage ist es nicht gut bestellt. Während der Sitzung arbeitete Konstantin von Notz in einem öffentlichen Disput mit dem Innenministerium heraus, dass wesentliche Akten – darunter auch die Personenakte des Attentäters, die im BfV geführt wurde – nicht zugeliefert wurden. Zeugen scheinen, wie auch in anderen Untersuchungsausschüssen, weiterhin in der Lage zu sein, sich umfangreich mit ungeschwärztem Aktenmaterial auf ihre Vernehmung vorzubereiten, das Abgeordneten, Obleuten und Ausschussmitarbeitern nicht einmal in umfassend geschwärzten Versionen vorliegt.

Respekt vor den Opfern fehlt

In einem offenen Brief bitten seit dieser Woche die Hinterbliebenen des Terroranschlages die Länder- und Bundesbehörden darum, „im Sinne einer umfassenden Aufklärung zusammen zu arbeiten“.

Der Behördenchef des BfV steht nach wie vor an die Spitze einer Desinformationskampagne, die alle Verantwortung den Länderpolizeien zuschiebt, statt im Sinne einer zeitgemäßen Fehlerkultur einzugestehen, dass es Fehleinschätzungen oder Informationsdefizite gegeben hat.

Stattdessen hätte Maaßen den Geheimdienstgremien, Innenausschüssen und Sonderermittlern auch Fakten liefern können, die begründen, warum eine Geheimhaltung weiterhin zwingend erforderlich ist. Doch Maaßen bevorzugt Lügen. Unter diesen Voraussetzungen kann die Kanzlerin ihr Versprechen nicht einlösen.

5. Sitzung am 14. Juni 2018 – Terror Plangemäß verwalten

Terror plangemäß verwalten

Untersuchungsausschuss Während die CDU/CSU mit internen Querelen den Parlamentsbetrieb blockierten, warteten Opfer und Angehörige des Attentats vom Breitscheidplatz auf den Sitzungsbeginn.

Eine Handvoll Journalisten wartet gemeinsam mit Opfern und Angehörigen im Bundestag. „Sitzungsbeginn 12 Uhr“ – das Display vor dem Saal 4.900 im Paul-Löbe-Haus liegt sehr oft falsch, wenn es darum geht, den Sitzungsbeginn kundzutun. Mal verlängert sich eine Beratungssitzung. Mal sorgt eine namentliche Abstimmung für einen verspäteten Beginn. Heute ist es die CDU/CSU-Fraktion. Offenbar haben sich Teile der CSU dazu entschlossen, den Koalitionsvertrag aggressiv nachverhandeln zu wollen. Man spricht von Asylstreit und setzt bildlich gesprochen Angela Merkel die Waffe auf die Brust: „Entweder du tust, was wir wollen, oder wir machen, was wir wollen.“ Ob, wann und wie dieser Schuss für die CSU nach hinten losgeht, werden die nächsten Tage zeigen.

Arbeitspläne

Der Ausschussvorsitzende Armin Schuster (CDU/CSU) erhält kurz vor Sitzungsbeginn von einem Überlebenden und Ersthelfer eine schriftliche Aussage, die Beamte des BKA bereits vor über einem Jahr entgegennahmen. Passiert ist seither nichts. Der Mann will Aufklärung und wartet seit nun fünf Stunden geduldig auf den Sitzungsbeginn. Politik und Behörden indes haben Zeit.

Ausschuss ist das, was passiert, während die Tagesordnung etwas anderes sagt. Von den insgesamt vier Zeugen bleiben an diesem Tag nur noch zwei. Zeuge Gilbert Siebertz vom Bundesamt für Verfassungsschutz wurde schon lange vor den CDU/CSU-Querelen aus Zeitgründen von der Liste gestrichen. Die Tagesordnung war mit vier Zeugen deutlich zu ambitioniert. Von Siebertz erhofften sich die Abgeordneten Hinweise auf V-Leute im Umfeld des Attentäters. Da es um eine Geheimdienstangelegenheit geht, sperren sich die zuständigen Stellen im Kanzleramt und bei den Geheimdiensten jedoch gegen die Herausgabe von Akten. Zudem dürften Zeugen aus den verantwortlichen Behörden auch in diesem Ausschuss wieder über strikt formulierte Aussagegenehmigungen an der kurzen Leine gehalten werden.

Axel Kühn (BKA/Staatsschutz)

Weiterlesen