In dieser Sonderfolge befassen wir uns mit den Dynamiken der Medienarbeit rund um den UA1BT. Auch die Stellungnahme des Bundesinnenministeriums zur Zeugenaussage des LKA NRW Zeugen M. ist enthalten.
Das Hintergrundgespräch mit den Grünen wirft eine Frage auf: Aktualität oder Chronistenarbeit – Welchen Schwerpunkt braucht Berichterstattung über den UA1BT?
Berichte über die Sitzung schafften es um 17 Uhr in die Tagesschau und um 19 Uhr in die Heute-Sendung. Darüber hinaus hat Phoenix-Der Tag auch einen rund neun Minuten langen Bericht mit O-Tönen von Irene Mihalic, Benjamin Strasser und einem kurzen Interview mit Konstantin von Notz.
Die Erklärung des BMI zur Sitzung vom 14.11.2019 im Wortlaut aus der Regierungspressekonferenz vom 15.11.2019 und wie in der Folge vorkommend:
ALTER: Ich möchte etwas zum gestrigen Untersuchungsausschuss sagen und dazu eine Erklärung abgeben.
Am 14. November 2019 hat ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes
Nordrhein-Westfalen als Zeuge vor dem 1. Untersuchungsausschuss der 19.
Legislaturperiode des Deutschen Bundestages einige Aussagen getätigt,
die die Zusammenarbeit des Bundeskriminalamtes und des LKA
Nordrhein-Westfalen vor dem Anschlag betreffen. Hierzu nimmt das
Bundesinnenministerium wie folgt Stellung:
Erstens. Der Zeuge hat gegenüber dem Untersuchungsausschuss
ausgesagt, ein mündliches Ersuchen auf Übernahme der
Sachverhaltsbearbeitung durch das BKA gestellt zu haben, was jedoch
durch das BKA abgelehnt worden sei.
Dazu erkläre ich für das BMI: Ein Übernahmeersuchen des LKA NRW zum Sachverhalt an das BKA hat es nicht gegeben.
Zweitens. Der Zeuge hat gegenüber dem Untersuchungsausschuss
ausgesagt, ein Beamter des Bundeskriminalamtes habe ihm am Rande einer
Besprechung beim Generalbundesanwalt am 23. Februar 2016 gesagt, die
Quelle des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes, die damals auf
die Gefährlichkeit des späteren Attentäters Anis Amri hingewiesen habe,
„mache zu viel Arbeit“.
Dazu erkläre ich für das BMI: Die Aussage wurde weder wörtlich noch
sinngemäß durch den Beamten des BKA getätigt. Bereits ein inhaltliches
Vieraugengespräch hat es nicht gegeben.
Drittens. Laut Zeuge habe ihm besagter Sachbearbeiter des BKA in dem
Vieraugengespräch weiterhin gesagt, diese Auffassung werde auch „von
ganz oben“ vertreten. Auf Nachfrage teilte der Zeuge mit, in seinen
entsprechenden Gesprächsnotizen habe er sich daraufhin den Namen des
damals zuständigen Gruppenleiters des BKA sowie den Namen de Maizière
bzw. „Bundesinnenministerium“ notiert.
Dazu erkläre ich für das BMI: Eine entsprechende Aussage hat der
Beamte des BKA nicht getroffen. Zudem ist auszuschließen, dass weder der
damalige Bundesminister de Maizière noch andere Mitarbeiterinnen oder
Mitarbeiter des BMI entsprechende Sachverhaltsbewertungen vornehmen oder
derartige Weisungen erteilt haben. Das Gleiche gilt hier für die
Leitungsebene des BKA einschließlich des damaligen Gruppenleiters.
Der Untersuchungsausschuss wurde bereits über diese Erklärung
informiert. Wir werden später an diesem Tag auch eine Pressemitteilung
dazu veröffentlichen. Die betroffenen Mitarbeiter des BKA wären für die
Möglichkeit dankbar, den Sachverhalt zeitnah vor dem
Untersuchungsausschuss aufzuklären. – Danke.
FRAGE WARWEG: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, dass der
Hauptkommissar des LKA NRW – soweit ich weiß, ist er Hauptkommissar – in
seinen Ausführungen vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages
komplett gelogen hat?
ALTER: Diese Bewertung müssen Sie vornehmen. Ich habe Ihnen den Sachstand wiedergegeben, den das BMI hat.
ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber er wird auch mit der Aussage zitiert, dass,
wie Sie schon ausgeführt haben, die Ansage von ganz oben kam, dass der
V-Mann oder Spitzel kaputtgeschrieben werden sollte. Können Sie noch
ausführen, ob dieser V-Mann dann tatsächlich aus dem Anis-Amri-Umfeld
abgezogen wurde oder nicht?
ALTER: Ich bitte um Verständnis, dass ich zu diesem Komplex keine
weitere Detaillierung vornehmen kann; denn dieser Sachverhalt ist
Gegenstand des Untersuchungsausschusses und auch Gegenstand von
Ermittlungen. Aber ich bin der Auffassung, dass das, was ich Ihnen
gerade erklärt habe – es geht ja auf die wesentlichen Aussagen des
Zeugen ein -, in aller Klarheit dargestellt wurde. Alles Weitere wird
vor dem Untersuchungsausschuss zu klären sein.
FRAGE KLISS: Die Abgeordneten haben dem Zeugen gestern im
Untersuchungsausschuss geglaubt und haben uns gegenüber gesagt, dass die
Quelle mundtot gemacht werden sollte. Das sind ja in dem Fall
Abgeordnete, die dem Zeugen zugehört haben. Wie bewerten Sie das denn?
ALTER: Die Abgeordneten haben dem Zeugen zugehört. Der Zeuge hat
gestern seine Aussagen getätigt. Das BMI sitzt heute hier und stellt die
Sachverhaltsdarstellung klar.
FRAGE WARWEG: In Medienberichten wird auf eine weitere LKA-Beamtin
verwiesen, die die Aussagen des genannten LKA-Kommissars zumindest in
Teilen bestätigt hat. Wie bewerten Sie denn die Aussagen dieser
LKA-Beamtin?
ALTER: Ich kann die Aussagen dieser LKA-Beamtin nicht bewerten, weil
ich Ihnen den Kenntnisstand des Bundesinnenministeriums und auch des BKA
hier an dieser Stelle wiedergebe. Darüber hinaus kann ich keine
Detaillierungen vornehmen.
Es ist aber auch klar – ich denke, das ist eine
Selbstverständlichkeit, die ich nicht erwähnen muss; ich tue es dennoch
-: Der gesamte Fallkomplex, der gestern durch die Zeugenaussage in ein
Licht gerückt wurde, wird natürlich jetzt intensiv überprüft. Wenn es
Erkenntnisse gäbe, die zu einer anderen Bewertung kämen, dann würden wir
Sie darüber informieren. Aber ich will darauf hinweisen, dass dieser
Sachverhalt ja bereits Gegenstand der bereits öffentlich abrufbaren
Fallchronologie des BKA zu diesem Fallkomplex ist, und dies nicht erst
seit gestern. Das heißt, der Sachstand ist bekannt, und die Bewertung
der Aussage habe ich Ihnen heute wiedergegeben.
FRAGE LEIFERT: Herr Alter, ich vermute einmal, dass Ihr Sprechzettel
mithilfe des BKA aufgesetzt wurde. Sind es noch dieselben handelnden
Personen, die Ihnen das notiert haben, die vor drei Jahren auch in
diesen Ämtern waren und mit dem Fall so nah befasst sind wie damals?
ALTER: Die Erklärung, die ich Ihnen verlesen habe, wurde im BMI heute
erstellt. Selbstverständlich haben bereits seit gestern Abend intensive
Kommunikationen mit dem BKA stattgefunden. Das ist der Sachstand, der
von den derzeit in den Funktionen befindlichen Personen wiedergegeben
werden kann. Zum Teil, insbesondere auf der operativen Ebene, handelt es
sich um Personenidentität.
FRAGE SAMBALE: Aus der Opposition wird ins Gespräch gebracht, den
früheren Innenminister de Maizière im Untersuchungsausschuss dazu zu
befragen. Wird der frühere Innenminister de Maizière oder der aktuelle
Innenminister zu diesem Thema in den Untersuchungsausschuss gehen?
ALTER: Das ist eine Frage, die ich von dieser Stelle nicht beurteilen
kann. Üblicherweise ist es ja so, dass, wenn der Untersuchungsausschuss
einen Zeugen lädt, sich diese Ladung an den jeweiligen Zeugen und nicht
an das Bundesinnenministerium richtet.
FRAGE WARWEG: Der Zeuge hat auch darauf verwiesen, dass er seine
Vorgesetzten in NRW von dieser Mitteilung in Kenntnis gesetzt hat.
Vielleicht haben Sie es schon ausgeführt; dann ist es mir entgangen.
Aber negieren Sie sozusagen auch die Gespräche vom Zeugen an seine
Vorgesetzten in NRW?
ALTER: Die Erklärung, die ich Ihnen verlesen habe, bezieht sich auf
die Aussagen, die der Zeuge zu diesem Fallkomplex gestern getätigt hat.
ZUSATZFRAGE WARWEG: In seiner Gänze?
ALTER: Auf die Aspekte, die ich hier konkret angesprochen habe.
FRAGE KLISS: Teilen Sie die Einschätzung, dass, wenn man dem im
Februar geglaubt hätte, Anis Amri den Anschlag nicht hätte verüben
können, weil man ihn vorher eingesperrt hätte?
ALTER: Das ist eine sehr spekulative Frage. Es wäre vermessen, an
dieser Stelle eine solche Einschätzung vorzunehmen. Die
Sachverhaltschronologie ist bekannt. Der Zeuge hat seine Aussage gestern
gemacht. Das Bundesinnenministerium und das BKA haben dazu einen ganz
anderen Sachstand. Den habe ich heute wiedergegeben.
FRAGE WARWEG: Noch eine Verständnisfrage: Aber der Fakt bleibt ja,
dass LKA NRW immer wieder insistiert hat, wie gefährlich Anis Amri ist,
und dass das LKA Berlin das ein bisschen zur Seite gewischt hat. Das
heißt, diese Quelle hat es ja anscheinend real gegeben und ist einige
Monate vorher nicht mehr präsent. Sie haben schon gesagt, Sie könnten
das nicht in irgendeiner Form ausführen, aber können Sie zumindest
bestätigen, dass es diese Differenz zwischen LKA NRW – Anis Amri
gefährlich – und LKA Berlin gibt, das gesagt hat, er stelle keine akute
Gefahr dar?
ALTER: Das werde ich an dieser Stelle ganz sicher nicht tun; denn ich
bin der Sprecher des Bundesinnenministeriums, und ich spreche für das
Bundesinnenministerium sowie für den nachgeordneten Geschäftsbereich, d.
h. das Bundeskriminalamt. Ich werde keine Bewertung zur Kommunikation
zweier Landesbehörden untereinander vornehmen.
FRAGE LEIFERT: Herr Alter, sind Sie befugt, uns einen kurzen Einblick
zu geben, wie eine solche Recherche bei Ihnen im Hause läuft, um so
einen Sprechzettel aufzusetzen? Nehmen wir einmal das Beispiel de
Maizière. Bestellen Sie den früheren Innenminister ein, um ihn nach
seinen Erinnerungen an diesen Sachverhalt zu befragen, oder gibt es
darüber Unterlagen, oder rufen Sie ihn an? Wie kommen Sie zu den
Informationen, um hier solche Aussagen zu treffen?
ALTER: Sie können davon ausgehen, dass die Informationslage so
verdichtet wird, dass das BMI mit einer Sicherheit diese Aussage, die
ich getätigt habe, auch vertreten kann. Über die Details der
Kommunikation will ich öffentlich nichts sagen, aber Sie können davon
ausgehen, dass eine solche Erklärung, wie ich sie gerade verlesen habe,
nicht leichtfertig verlesen wird.