Podcast zum 1. Untersuchungsausschuss

Schlagwort: Fritz Felgentreu (Seite 1 von 1)

UApod.berlin – Folge 026 vom 12.12.2019

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Daniel Lücking
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Stella Schiffczyk

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In dieser Folge berichten wir von einem Novum im Ausschuss: eine Gegenüberstellung. Drei Zeugen wurden zeitgleich gehört um Widersprüche aus dem Weg zu räumen. Philipp Klein, Erster Kriminalhauptkommissar beim BKA, Herr M., Leiter der EK Ventum / LKA NRW und den Generaslbundesanwalt Dieter Killmer vom Bundesgerichtshof. Im Raum stand die Frage nach dem Zwiegespräch zwischen Herrn Klein und Herrn M. Haben das BKA und das Innenministerium veranlasst, dass die VP01 aus dem Verkehr gebracht werden soll?

Im Anschluss folgen die Statements zur Sitzung von Fritz Felgentreu (SPD), Irene Mihalic (Grüne), Volger Ullrich (CDU) und Benjamin Strasser (FDP).

Artikel dazu von Daniel Lücking aus dem Blog „der Freitag“

Aussage gegen Aussage

Eiligst dementierte das Bundesinnenministerium die Aussage eines Landespolizisten. In der Gegenüberstellung litt jetzt die Glaubwürdigkeit des Bundeskriminalamtes.

„Bereits ein inhaltliches Vieraugengespräch hat es nicht gegeben.“ Die Worte von Ministeriumssprecher Steve Alter in der Regierungspressekonferenz vom 15.11.2019 wogen schwer. Nur wenige Stunden nach der Aussage von Kriminalhauptkommissar KHK M. vom Landeskriminalamt Nordrheinwestfalen dementierte das Bundesinnenministerium die Aussage des Polizisten. Stringent und überzeugend hatte er zu Protokoll gegeben, auf Geheiß „von ganz oben“ sei der Fall des späteren Attentäters nicht auf der Ebene der Bundesbehörden zu bearbeiten gewesen.

Vier Wochen später sitzt KHK M. erneut im Bundestag. Das es ein aufwühlendes Vieraugengespräch gegeben haben muss, bestätigt an diesem Tag Dieter Killmer von der Generalbundesanwaltschaft.

Herr M. (Kriminalhauptkommissar beim LKA NRW / Leiter der EK Ventum)

Am 23. Februar 2016 hatte KHK M. nicht nur mit Killmer über den Inhalt gesprochen. Auch Bundesanwältin Claudia Gorf wurde ins Vertrauen gezogen und riet KHK M sich auch an Bundesanwalt Horst Salzmann zu wenden, so heißt es. Die Aussagen von Killmer und KHK M. stehen im Widerspruch zur Regierungslinie. Doch welche Gründe sollten sie haben, sich selbst und weitere Kollegen unter Wahrheitspflicht so zu belasten?

Jungfrauen und Kinder

Im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum GTAZ wird im Februar 2016 gestritten. Während das LKA NRW in mehreren Sitzungen das Bundeskriminalamt BKA ersucht hat, den Fall des späteren Attentäters zu übernehmen, mauert vor allem Philipp Klein von der Zentralstelle für Gefährdungsbewertung des BKA.

Klein wollte damals nicht glauben, dass eine Quelle des Landeskriminalamtes NRW – die VP-01 – mit den Anschlagswarnungen so richtig liegen könne. Niemals in der Geschichte der Bundesrepublik habe eine einzelne Quelle zu mehreren Anschlagsplanungen Informationen beschaffen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Quelle zwei Mal so dicht an Attentätern und deren Anschlagsplanungen dran sei, sei wie „zwei Sechser im Lotto in einer Woche“, gibt Klein mehrfach und wortreich zu Protokoll.

Ein rund anderhalbstündiges Eingangsstatement ist der Auftakt zu einer Zeugenaussage, die etwa sechs Stunden dauert. Sechs Stunden, in denen Philipp Klein semantische Pirouetten dreht und Wortklaubereien an den Tag legt. Man müsse deutlich zwischen der Glaubhaftigkeit von Informationen und der Glaubwürdigkeit einer Quelle unterscheiden, argumentiert Klein und ignoriert, dass eine Quelle, die keine glaubhaften Informationen liefert gemein hin auch nicht als glaubwürdig wahrgenommen wird. „Ich habe es vorhin schon gesagt, aber ich sage es gerne noch einmal“ wiederholt sich Klein schon im Eingangsstatement und auch später in der Aussage. Er strapaziert immer wieder mit ausweichenden Anworten die Geduld der Abgeordneten.

Philipp Klein (Erster Kriminalhauptkommissar beim BKA)

Opfer einer Intrige?

Der 39-jährige Klein schildert sein Dilemma. Die Behauptung es habe ein Vieraugengespräch gegeben, sowie die Inhalte daraus könne er schwerlich widerlegen. Klein nimmt damit indirekt vorweg dass er bereit ist, Aussage gegen Aussage stehen zu lassen. Doch schon als es um das Vieraugengespräch geht, muss er einschränken. Er kann nicht ausschließen, dass ein persönliches Gespräch zwischen KHK M. und ihm stattgefunden habe. Vielleicht auf dem Weg zur Toilette oder auf dem Weg die Treppe hinunter.

Definitiv aber könne er ausschließen, dass es um die Inhalte gegangen sei – eine Weisung von ganz oben – die KHK M. in seiner Aussage geschildert hat. In anderen Punkten seiner Aussage argumentiert sich Klein vordergründig unangreifbar und verstrickt sich später doch in Widersprüche und Seltsamkeiten. Klein beharrt darauf, dass es kein Übernahmeersuchen gegeben hat und muss im Laufe der Aussage wieder einschränken und präzisieren. Die Protokolle aus dem GTAZ belegen ein Übernahmeersuchen.

Ein solches Ersuchen ist für Klein erst dann relevant, wenn es schriftlich vorgebracht wird. Obfrau Irene Mihalic (B90/Grüne) lässt diese Ausrede nicht gelten. Mihalic macht klar, dass im Gesetz ein Übernahmeersuchen an das BKA an keine spezielle Form gebunden ist. Für Klein ist es das Signal nun deutlich zu machen, dass er ein Übernahmeersuchen nur dann akzeptiert, wenn es von der Behördenleitung vorgebracht wird und nicht von einem Sachbearbeiter im GTAZ.

Klein gleitet in seinen Rechtfertigung zusehends ab. Die Abgeordneten wollen wissen, warum sich die Bundesebene nicht eingeschaltet hat als ersichtlich wurde, dass der spätere Attentäter über die Grenzen von Bundesländern hinweg agierte. Klein meint, das LKA NRW sei kompetent genug gewesen, um den Fall in eigener Zuständigkeit zu bearbeiten.

„Mit ihrer Argumentation könnte man den Paragrafen 4a aus dem BKA-Gesetz streichen“, hält Irene Mihalic die Gesetzesgrundlage vor, die Klein hätte wählen müssen. Eine Zuständigkeit seiner Behörde will dieser jedoch nicht sehen. Er konstruiert, es müssten schon mehrere Bundesländer beteiligt sein damit das BKA überhaupt tätig werden könne.

Die Faktenlage spricht gegen Kleins Ansicht: Bis zum Februar 2016 waren es bereits drei Bundesländer, in denen sich der spätere Attentäter bewegt hatte: Nordrheinwestfalen, Berlin und Niedersachen .

Sachkundige Ausschusskreise wundern sich zudem über die steile Karriere des BKA-Mannes Klein, der seit Einstellung in den gehobenen Polizeidienst im Jahr 2001 nach jedem Beurteilungstermin befördert wurde. Eine solche Karriere sei „mindestens ungewöhnlich“ und sorgt für Verwunderung angesichts der von Klein getätigten Aussagen.

Gegenüberstellung

Es ist ein neues Format, das gegen 21 Uhr 30 im Saal 4.900 des Bundestags zur Anwendung kommt. Der Ausschuss entscheidet sich für eine Gegenüberstellung der drei Zeugen dieses Tages. Ein Vorteil: Widersprüche können zeitnah diskutiert werden.

Philipp Klein passt seine Sprache an. Neben den klaren und strukturiert gewählten Worten von KHK M und dem ebenso sachlich agierenden Killmer, ist kein Platz mehr für Ausschweifungen und Wiederholungen. Wohl aber für eine gespielt wirkende Empörung, mit der Klein auf die Ausführungen von KHK M. reagiert, der nun direkt neben ihm sitzt.

KHK M. trägt sachlich und selbstkritisch vor. Bundesanwalt Killmer räumt ein sich nicht mehr an die Inhalte, wohl aber an einen sehr emotionalen und aufgewühlten KHK M. erinnern zu können, der ihm von einem äußerst problematischen Vieraugengespräch berichtet hat. Klein gerät zusehends unter Druck.

Kurz vor der Sitzung hatte das Rechercheteam des WDR aus E-Mails zitiert, die Klein nun belasten. Mit seinen Vorgesetzten Sven Kurenbach und Martin Kurzhals hatte Philipp Klein hochgradig emotional diskutiert. Von einem „Schlupfloch“ das geschaffen werden müsse war die Rede. Die VP-01 konnte man offenbar nicht gänzlich unglaubwürdig schreiben. Klein ließ sich jedoch weiter ein und bezichtigte im gleichen Mailaustausch das LKA NRW der „Lüge“, warf „hochgradig unprofessionelles“ Verhalten vor und schrieb von „Trostlosigkeit“ der Fakten des LKA NRW.

Klein argumentiert seine seltsam verzweifelt wirkende Wortwahl in den Bereich eines Jargons, den Kollegen untereinander pflegen würden und der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei. Auf Benjamin Strasser (FDP) wirkt das dokumentierte Verhalten Kleins im GTAZ und in den E-Mails geradezu bockig. Es könne schlicht nicht sein, dass eine Quelle zu zwei Anschlagssachverhalten zuverlässig Informationen liefere, war damals Kleins Linie.

„Das ist auszuschließen, sagt die Jungfrau bevor sie schwanger ist! Einmal ist immer das erste Mal!“, sei die Reaktion von Bundesanwalt Horst Salzmann darauf gewesen, beschreibt KHK M.

Wem glauben?

„Wenn ich das hier vergleiche mit dem was uns schriftlich vorliegt, ergibt sich aus den Schilderungen von Herrn M. ein in sich ein geschlosses Bild, ein Bild, das man nachvollziehen kann. Warum sollte Herr M. gelogen haben?“ eröffnet Fritz Felgentreu (SPD) dem Zeugen Klein eine Möglichkeit, seine unter Wahrheitspflicht getroffenen Aussagen zu revidieren. Klein nimmt diese nicht an und belässt es beim Stand Aussage gegen Aussage.

Die Selbstverständlichkeit mit der die Bundesregierung auch nach dieser Sitzung hinter den Aussagen von Philipp Klein steht, gibt Rätsel auf. Aus ihrer Sicht hat die Sitzung keinen Grund geliefert, um von der getroffenen Einschätzung abzuweichen.

Gegenüberstellung: Herr M. (Kriminalhauptkommissar beim LKA NRW / Leiter der EK Ventum), Philipp Klein (Erster Kriminalhautkommissar beim BKA) und Dieter Killmer (Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof)

Untersuchungsausschüsse – Schärfstes Schwert oder zahnloser Tiger?

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Daniel Lücking

Was bringen Untersuchungsausschüsse? In Gesprächen mit Obleuten, Ausschussvorsitzenden, einer ehemaligen Referentin und Betroffenen des Breitscheidplatz-Attentats entstand das Feature, das einen kritischen Blick auf die Arbeit des UA1BT wirft und auch vergangene Untersuchungsausschüsse im Blick hat.

Das Radiofeature von Daniel Lücking ist Werkstück zur Masterarbeit im Studium Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin.

Mit den Stimmen von:

Astrid Passin und Andreas Schwarz aus den Reihen der Opfer und Hinterbliebenen,

den Bundestagsabgeordneten Irene Mihalic, Benjamin Strasser, Martina Renner, Konstantin von Notz, Volker Ulrich und Fritz Felgentreu,

der langjährigen Ausschuss-Referentin Martina Kant,

dem amtierenden Ausschussvorsitzenden Armin Schuster,

den ehemaligen Ausschussvorsitzenden Eva Högl und Patrick Sensburg,

den Stimmen der Journalisten Ulrich Stoll, Frank Aischmann, Thomas Moser und Daniel Lücking.

Ton und Schnitt: Peter Weinsheimer

Intro: adi_elis

Eine Produktion von Picaro Media“, 2019


UAPOD.Berlin – Folge 003 vom 11.10.2018

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Stella Schiffczyk
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Daniel Lücking

 

9. Sitzung am 11. Oktober 2018 – Über Schwarzfahrer und ein U-Boot

Über Schwarzfahrer und ein U-Boot

Parlamentarier besprechen langwierig ein Routineverfahren, während der Aufreger dieser Woche hinter verschlossenen Türen behandelt wird

 

Bastian Kioschis (Staatsanwaltschaft Offenburg)

Kaum 40 Minuten dauerte die Vernehmung eines Staatsanwaltes, der eine Schwarzfahrt des späteren Attentäters vom Breitscheidplatz nicht weiterverfolgte. Aufgrund des vorliegenden Namens und der bis dato sauberen Weste gab es keine Ansatzpunkte für eine Strafverfolgung.

Da sich der Untersuchungsausschuss mehrheitlich darauf geeinigt hatte, die Vorgänge zwischen der Ankunft des späteren Attentäters und dem 19. Dezember 2016 chronologisch aufzuarbeiten, reiste der 1. Staatsanwalt Bastian Kioschis eigens aus Offenburg an. Die Faszination für einen juristischen Routinevorgang hält sich jedoch in Grenzen. Noch während der ersten Fragerunde winkt Niema Movassat mit einem freundlichen „Guten Tag Herr Kioschis. Wir von der Linksfraktion haben keine weiteren Fragen an Sie“ ab.

Linke und Grüne kritisieren die chronologische Aufarbeitung, die durch die Ausschussmehrheit von CDU/CSU und SPD als Rahmen gesetzt wird. Auf der Liste der weniger relevanten Zeugen standen bereits der Polizist, bei dem der spätere Attentäter Asyl beantragte, ein Staatsanwalt, der ein Routineverfahren wegen illegaler Einreise führte, sowie nun Kioschis, der selbstbewusst und souverän auftritt, sich aber der nachrangigen Bedeutung bewusst ist.

Ein zweiter Zeuge, der ins Visier der Obleute von CDU/CSU geriet, kann heute aufgrund einer Erkrankung nicht aussagen. Bahnbrechende Informationen seien vom ihm, dem Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung, ohnehin nicht zu erwarten, da er nach Aussagen der Oppositionsvertreter lediglich erklären würde, dass der spätere Attentäter niemals in der Erstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe aufgetaucht wäre.

U-Boot auf Schwarzfahrt

Medienberichte der Zeitung „Welt“ brachten in der vergangenen Woche eine „Schwarzfahrt“ der besonderen Art ans Tageslicht. Die Vertreterin des Bundesinnenministeriums Frau Dr. Haarmann hatte dem Untersuchungsausschuss verschwiegen, dass sie im Untersuchungszeitraum im Bundesamt für Verfassungsschutz eingesetzt war. Im Rahmen ihrer Aufgaben behandelte sie bis ins Jahr 2016 Fälle aus dem direkten Umfeld des späteren Attentäters und beobachtete Personen wie dessen Wohnungsgeber in Berlin und einen Kontakt zu einer Moschee in Dortmund.

Haarmann hatte in ihrer Funktion nicht nur Zugang zu allen Akten des Untersuchungsausschusses, sondern bearbeitete auch schon kurz nach dem Attentat parlamentarische Anfragen zum Fall. In öffentlichen Sitzungen intervenierte sie während der Aussagen von Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz und wollte selbst die Nennung von Personennamen nicht zulassen, die längst presseöffentlich durch Gerichtsverfahren bekannt waren.

Über einen Zeitraum von gut sechs Monaten nahm Haarmann an Beratungssitzungen teil, in denen die Obleute über den weiteren Ablauf der Ermittlungen sprachen, und begleitete auch die nicht-öffentlichen Zeugenvernehmungen.

Obwohl die Empörung über diesen Vertrauensbruch fraktionsübergreifend einhellig ist, fallen die Reaktionen der Parlamentarier_innen unterschiedlich aus. Während der Ausschussvorsitzende Armin Schuster (CDU/CSU) keine Einschränkungen für die Ausschussarbeit erkannt haben will, findet Martina Renner (Linksfraktion) deutlichere Worte: „Der Vorwurf ist nicht nur, dass man die Zeugeneigenschaft von Frau H. gegenüber dem Ausschuss absichtlich verschwiegen hat, sondern auch, dass die Zeugin H. ihre Rolle in diesem Ausschuss dazu genutzt hat, andere Zeugen und Zeuginnen zu beeinflussen, bestimmte Komplexe, Personen oder Themen nicht dem Ausschuss zu offenbaren.“

Sabotage des Ausschusses

Der Vorwurf steht im Raum, dass das Bundesinnenministerium den Ausschuss in seiner Arbeit behindert. Zum Rapport in nicht-öffentlicher Sitzung erschien der Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit im Bundesinnenministerium Stefan Kaller. „Uns trat das Ministerium mit einer Mischung aus Arroganz, Ignoranz und Respektlosigkeit entgegen. Ein Problembewusstsein war in keiner Weise erkennbar“, beschreibt Fritz Felgentreu (SPD) das Auftreten von Kaller.

Am Rande werden Vorwürfe laut, Obleute hätten den Namen von Dr. Haarmann öffentlich genannt und damit Schutzinteressen verletzt. Ein Name, der in öffentlichen Sitzungen auf einem Namensschild gut leserlich platziert war, während Haarmann in einer Funktion dort saß, die in vergleichbaren Ausschüssen erwartbar Gegenstand der Berichterstattung von Journalisten werden kann. Selbst wenn es ein legitimes Schutzinteresse für Haarmann gibt, ist es nach sechs Monaten öffentlicher Ausschussarbeit naiv, davon auszugehen, es würde ausreichen, künftig nur von „Frau Dr. H.“ zu sprechen.

Für die Ermittlungsarbeit der Parlamentarier bedeutet die Personalie der H. ein zusätzliches Pensum an Arbeit. Aussagen müssen erneut kritisch gelesen werden. An welchen Punkten intervenierte H. bei Zeugenaussagen? Welche Unterlagen zum Fall des Attentäters haben Schnittmengen mit den von H. bearbeiteten Fällen?

Arbeitserschwernisse, bei denen Martina Renner notfalls zu drastischen Mitteln greifen will, die über die Vereidigung von Zeuginnen und Zeugen hinausgehen. Renner zieht Mittel in Betracht, die bei einem Untersuchungsausschuss in den 1960ern zur Anwendung kamen: „Damals haben eine sehr selbstbewusste Opposition mit auch sehr selbstbewussten Parlamentariern der Regierungsparteien gemeinsam die Entscheidung getroffen, die Bundesregierung von einem Teil der Beweisaufnahme auszuschließen.“ Renner führt aus, dass es keinen Rechtsanspruch der Bundesregierung gibt, bei der Beweisaufnahme zugegen zu sein.

Aufklärung geht anders

Mit der Personalie H., die von einer Position der Exekutive aus in die Arbeit der Legislative wirkte und dort theoretisch auch die Möglichkeit hatte, eventuelle Versäumnisse zu kaschieren, stellte das Bundesinnenministerium nicht nur die Gewaltenteilung auf eine harte Probe. Auch in den Reihen der Opfer und Hinterbliebenen des Attentats herrscht über die aktuellen Entwicklungen im Ausschuss Unmut.

Bei einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel, die Aufklärung versprochen hat, drängten sie darauf, dass den Untersuchungsausschüssen ungeschwärzte Akten zur Verfügung gestellt werden. Die chronologische Vorgehensweise des Ausschusses wird dafür sorgen, dass die Aufarbeitung der Erlebnisse noch Jahre andauert. „Ich will wissen, was rund um den 19.12.2016 passiert ist und nicht, wann der Attentäter mal schwarzgefahren ist“, bringt es eine Hinterbliebene auf den Punkt.