Podcast zum 1. Untersuchungsausschuss

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21. Sitzung vom 11.04.2019 – Gescheiterte Kommunikation

Hinweise werden ausgewertet und als relevant erachtet, auf dem Weg durch die Hierarchie aber verworfen.

Kriminalhauptkommissar Alexander Stephan wird als erster von vier Zeugen an diesem Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss zum Attentat vom Breitscheidplatz vernommen. Mit insgesamt dreieinhalb Stunden wird es die längste Vernehmung des Sitzungstages.

Alexander Staphan (BKA)

Zeuge Stephan berichtet aus seiner Arbeit am Gefahrenabwehrvorgang Lacrima und dem daraus hervorgegangenen Ermittlungsverfahren (EV) Eisbär. Bis zu seiner Abordnung ins Auswärtige Amt im März 2016 war Stephan vor allem mit Bilel ben Ammar befasst.

Im Zuge dieser Ermittlungen kam dann auch der spätere Attentäter auf das Radar des Bundeskriminalamtes (BKA). Stephan bestätigt mit seinen Ausführungen die Darstellungen der vergangenen Sitzungen. Seine Aussagen zum Auftauchen und zur Identifikation des späteren Attentäters im EV Eisbär entsprechen denen der Zeugen van Elkan und Dr. Glorius.

Sein Hauptaugenmerk galt in diesem Verfahren dem Nachrichtenmittler Bilel ben Ammar, der als Kontakt zu Denis Cuspert, aber auch zur Reisegruppe um Sabou Saidani für die Ermittler interessant war.

Seltsame Abläufe im GTAZ

Die Obleute versuchen an diesem Tag wieder einmal mehr Klarheit über die Abläufe im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum GTAZ zu bekommen, in dem eine länderübergreifende Koordination stattfinden soll. Aus den Fragestellungen, aber auch den Beschreibungen des Zeugen Stephan ergibt sich jedoch ein Bild, in dem es weniger um effektive Koordination geht als vielmehr darum, um Zuständigkeiten zu schachern und Verantwortung zu vermeiden.

Auffällig: Es gibt keine erkennbare Hierarchie im GTAZ. Eine eindeutige Sitzungsleitung fehlt offenbar ebenso wie eine konsequente Dokumentation getroffener Maßnahmen und deren Ergebnisse. Stephan beschreibt auf die Fragen der Obleute die Entwicklungen im Februar 2016. Damals bat das Landeskriminalamt NRW in den Sitzungen des GTAZ darum, den Fall des späteren Attentäters abgeben zu dürfen. Dieser hatte sich zu einem hochmobilen Gefährder entwickelt, der zwischen mehreren Bundesländern hin und her reiste. Das BKA lehnte die Übernahme des Falles jedoch ab und beließ die Koordination den Landeskriminalämtern NRW und Berlin.

Die Obleute können die Diskrepanz nicht auflösen, das Zeuge Stephan einerseits beschreibt, dass die Protokolle des GTAZ von allen beteiligten Behörden gegengelesen und auf Anfrage auch ergänzt und korrigiert würden, andererseits aber kein Hinweis auf den NRW-Antrag zu finden ist, den Fall des späteren Attentäters an das BKA abzugeben. E-Mails aus dem LKA NRW enthalten Hinweise auf den Antrag, der aber in den Protokollen nicht auftaucht.

Mahmud Özdemir (SPD) fragt, warum das BKA nicht vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machte, um den Fall an sich zu ziehen. Stephan hat keine Erklärung. Auch zu den Fragen von Martina Renner (Die Linke) und Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) zu den Abläufen rund um das Behördenzeugnis des Verfassungsschutzes kann Stephan wenig beitragen.

Ziel des Behördenzeugnisses ist in erster Linie Quellenschutz. Behörden verschleiern dadurch die Beteiligung und Identifikation einzelner Vertrauenspersonen und schützen sie dadurch mitunter auch vor Strafverfolgung durch andere Behörden, weil den Ermittlungsinteressen Vorrang vor der Strafverfolgung eingeräumt wird. Stephan kann nicht auflösen, welche Informationen durch das Behördenzeugnis legendiert werden sollten, und beschreibt, dass eigentlich alle Punkte, die das Behördenzeugnis damals enthalten habe, auch Bestandteil der Sitzungen des operativen Informationsaustausches waren.

Phantomvideo

Kurz nach dem Anschlag am Breitscheidplatz wechselte Stephan zur besonderen Aufbauorganisation BAO City, die einberufen wurde, um Hinweise zum Attentäter zu sammeln und die Tat zu untersuchen.

Der Ausschussvorsitzende Armin Schuster fragt nach dem Video, das laut den unzureichend belegten Darstellungen der Focus-Online-Redaktion Bilel ben Ammar zeigen soll, der dem Attentäter zur Flucht verhilft, indem er einen Menschen am Breitscheidplatz mit einem Kantholz an den Kopf schlägt und schwer verletzt. Stephan sagt aus, dass es für den Bereich der Hinweisbearbeitung, in dem er eingesetzt war, keine solche Information und kein solches Video gegeben habe.

Stephan wird auch mit Ermittlungshinweisen konfrontiert, die das BKA nicht weiter verfolgt hat. Dazu zählen Fotos von Weihnachtsmärkten, die Personen aus dem Umfeld des Attentäters gemacht hatten, sowie der Tweet von Pegida-Initiator Lutz Bachmann, der schon kurz nach der Tat von einem tunesischen Moslem als Täter sprach. Stephan kann auf die Fragen von Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), warum es nicht einmal interne Ermittlungen dazu gab, nichts beitragen.

Blinde Flecken

Im weiteren Sitzungsverlauf offenbaren die Zeuginnen Leonie Simonis und Katharina Mühlfeld, die in der Hinweisbearbeitung und Auswertung eingesetzt waren, einen kriminalistischen Spürsinn, den die Obleute bei den zuvor gehörten BKA-Beamten Dr. Glorius und Stephan vermissten. Simonis teilt die Ansicht, dass es sich bei den Bildern auf dem Mobiltelefon von Bilel ben Ammar um Fotos handelte, die für die Tatvorbereitung von Belang waren. „Das waren keine touristischen Fotos“, äußert Simonis und beschreibt, dass die Fotos die spätere Einfahrtschneise, aber auch Poller und Bodenbeschaffenheit am Breitscheidplatz zeigen.

Leonie Simonis (BKA)

Nach den Schilderungen der jungen BKA-Beamtinnen waren zumindest auf diesen Arbeitsebenen ein Jagdtrieb und Ermittlungswillen erkennbar, die sich aber in der weiteren Hinweisbearbeitung bisher nicht wiederfinden.

Katharina Mühlfeld (BKA)

Auch Zeugin S. D. vom LKA Berlin kann ihre Arbeit in ein positives Licht rücken. Sie schildert die komplizierten Zusammenhänge, teils auch in nicht-öffentlicher Sitzung, für die Referenten schlüssig, kann aber auch zur Frage nach der Beschlagnahmung eines Laptops bei einer V-Person des Verfassungsschutzes nichts beitragen. Die Umstände, die dazu führten, dass ein vom LKA Berlin rechtmäßig beschlagnahmter Laptop nach einem Anruf zunächst wieder in die Hände des Beschuldigten zurückging, konnten nicht näher erhellt werden.

S. D. (LKA)

Das Publikum

Teil des Sitzungsgeschehens ist auch das Publikum auf der Tribüne oberhalb des Saales 4.900 im Paul-Löbe-Haus. Die Mischung aus einzelnen Opfern und Hinterbliebenen, Bundestagsmitarbeitenden und Journalist_innen pendelt zu Sitzungsbeginn um die Zahl von etwa 20 bis 30 Personen. Je länger der Sitzungstag dauert, desto deutlicher nimmt die Zahl ab.

Auffällig sind im Publikum immer wieder Personen, die in den Pausen aufmerksam den Gesprächen der Journalist_innen folgen. Manche bestätigen mitunter Detailinformationen sachkundig, sind jedoch zu keinerlei weiterem Gespräch bereit. Auf die freundliche Nachfrage eines Kollegen nach ihrem Bezug zum Ausschuss reagiert eine junge Frau am Rande dieser Sitzung nahezu verschreckt und schweigt dann.

In einer anderen Sitzung mischte sich eine Gruppe von vier Bundespolizisten mit vorgeblich rein privatem Interesse in den Nahbereich der Journalist_innen auf der Tribüne und verfolgte via Social Media das Twitter-Geschehen am Hashtag. Per Direktnachricht freundlich angesprochen, reagierte der erkennbar als Anführer der Vierergruppe aufgetretene Polizist mit der spontanen Löschung seines Twitter-Accounts.

Öffentlichkeitsgrundsatz

Publikumskontakt gehört zum journalistischen Handwerk dazu. Angesichts der aktuellen Berichterstattung zu rechtsradikalen und medienfeindlichen Netzwerken innerhalb der Strukturen der Sicherheitsbehörden sind anonyme Onlinekontakte allerdings ebenso unangenehm wie rein privat auftretende Polizisten, die sich auf der Tribüne in den unmittelbaren Nahbereich von berichtenden Journalist_innen begeben.

Das Interesse am Thema ist verständlicherweise besonders in Kreisen der Sicherheitsbehörden groß. Daher sind – immer vorausgesetzt, die Twitter-Profile und Internetinformationen entsprechen den realen Personen – Leser wie aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz sowie aus dem Bereich „Ermittlung, Fahndung, Gefahrenabwehr“ des BKA an meinem Twitter-Profil zu finden. Das beste Indiz, dass der Ausschuss nicht nur im Sitzungssaal des Bundestags wirkt, sondern auch darüber hinaus.

20. Sitzung vom 04.04.2019 – Die Frage nach der Scharade

Das Bundeskriminalamt gibt sich mitwirkungsbereit und aufgeschlossen, offenbart aber blinde Flecken. Wie viel Arglosigkeit ist noch glaubhaft?

Mit einer aufgeschlossenen Mitarbeiterin punktet das Bundeskriminalamt BKA an diesem Sitzungstag zunächst beim Publikum und den Obleuten im Untersuchungsausschuss zum Attentat vom Breitscheidplatz. Die Kriminalhauptkommissarin Karin van Elkan überzeugt. Dermaßen aufgeschlossenes Auftreten haben schon einige Zeugen anderer Behörden vermissen lassen. Zeugin van Elkan verfügt nicht nur über Detailkenntnisse, sondern referiert ohne Notizen und völlig frei zu den zeitlichen Abläufen.

Ihr Gedächtnis funktioniert assoziativ und die Zusammenhänge, die sie zwischen Ermittlungsgruppen, Personen und Ereignissen schildert, sind nahezu lückenlos und wirken nicht auswendig gelernt. Sie arbeitet mit, statt zu blockieren.

Karin van Elkan (BKA)

Gefahrenabwehrvorgang Lacrima

Im Visier der BKA-Ermittler stand zunächst der nach Syrien ausgereiste Denis Cuspert, der über soziale Medien für den Dschihad warb. In dessen Umfeld tauchte dann der Tunesier Sabou Saidani auf, dessen Verbindung zu Bilel ben Ammar und dem späteren Attentäter dann später im Ermittlungsverfahren Eisbär durch das BKA überwacht wurde. Ein abgehörtes Telefongespräch am 24. Dezember 2015 förderte eine Aliasidentität des späteren Attentäters zu Tage. Ab dem 11. Januar 2016 war Anis Amri im Ermittlungsverfahren Eisbär eindeutig zugeordnet, galt aber lediglich als Kontaktperson von Bilel Ben Ammar. Doch so viele Namen, Orte und Zusammenhänge die Zeugin van Elkan an diesem Sitzungstag auch liefert: neue Erkenntnisse sind nicht dabei.

Offen bleiben die Fragen von Benjamin Strasser (FDP) nach den Details der Kooperation mit dem US-Inlandsdienste FBI – einer Hybridorganisation, die sowohl die Aufgabenbereiche der Verfassungsschutz-, als auch der Kriminalämter in sich vereint. Auch auf die Fragen von Martina Renner (Die Linke), wie mit den Metadaten aus dem Androidtelefon des späteren Attentäters umgegangen wurde, kann Zeugin van Elkan nichts beisteuern. Metadaten und Social-Media-Vernetzungen, die möglicherweise die Grundlage für den im Januar 2017 durchgeführten US-Luftangriff in Libyen waren, der als Vergeltungsschlag für das Attentat vom Breitscheidplatz gilt.

Publikum unter Beobachtung

Auf der Regierungsbank zeigt sich das BKA maximalst kooperationsbereit. Auffällig ist an diesem Tag aber auch das Social-Media-Monitoring, das die Regierungsbank in Echtzeit betreibt. Unklar bleibt, mit welchen Accounts die Beobachter agieren. Während Presse, Obleute und Mitarbeiter des Untersuchungsausschusses immer wieder auch anonymen Attacken ausgesetzt sind, bei denen an Motivation und Reputation gekratzt, sowie der Sachverstand in Frage gestellt wird, bleibt die Regierungsbank gleichermaßen anonym. Was bleibt, ist das ungute Gefühl, das notfalls interveniert wird, falls sich eine Zeugenaussage zu aufklärerisch entwickelt und die Öffentlichkeit zu viel erfährt.

Dünne Quellenlage

Kriminaldirektor Dr. Dominik Glorius pflegt den offenen Stil, der den Ausschusstag trotz aller zeitlichen Verzögerungen positiv verlaufen lässt. Glorius kann vor allem zum Geschehen nach der Tat als Leiter der besonderen Aufbauorganisation BAO City aussagen. Ihn ärgert die Berichterstattung des Focus-Magazins, das im Februar Behauptungen eines angeblichen Insiders veröffentlichte, nach denen es ein weiteres Video geben würde, das Bilel ben Ammar am Breitscheidplatz zeigt. „Wir wären dankbar gewesen für ein Video, das zeigt, wie ben Ammar eine schwere Körperverletzung begeht, dann hätten wir einen Straftatverdacht gehabt ihn festhalten können.“ Weder dem Ausschuss, noch den verantwortlichen Redakteuren Alexander Rackow und Josef Hufelschulte liegt das Video vor. Die dünne Quellenlage macht die Focus-Berichterstattung auch mehrere Wochen nach der Veröffentlichung nicht glaubwürdiger.

Dr. Dominik Glorius (BKA)

In der Kritik

Die Obleute konfrontieren den Zeugen Glorius schnell mit den Dingen, die die BAO City nicht ausermittelt hat. Nur zwei der drei DNA-Spuren an der Pistole des Attentäters sind eindeutig zugeordnet. Die Pistole des Attentäters stammt aus der selben Produktionscharge, wie die Tatwaffe des rechtsradikalen NSU-Trios. Martina Renner (Die Linke) macht deutlich, dass die Identitäre Bewegung in Frankreich bereits Waffen an Dschihadisten verkauft hat und auch deutsche Rechtsextreme aus dem bosnischen Kriegsgebiet Waffen nach Deutschland geschmuggelt haben. Ermittlungsansätze, die beim BKA offenbar nur nachrangig behandelt werden.

Das BKA hält weiter an der Einzeltäterthese fest. Glorius kann nicht auflösen, warum er davon ausgeht, der Attentäter hätte keine Absicht gehabt, das Attentat zu überleben. Martina Renner macht klar, dass der Attentäter sich entweder mit der Pistole hätte umbringen können oder den Tod in einer Konfrontation mit der Polizei hätte suchen können. Für Irene Mihalic und Konstantin von Notz (beide B90/Die Grünen) ist vor allem die erfolgreiche Flucht ein Indiz dafür, dass es dem Attentäter nicht um ein Selbstmordattentat ging.

Der Fragenkatalog zur Fluchtroute ist lang. Dem BKA gelang die Rekonstruktion der dreitägigen Flucht des Attentäters von Berlin über die Niederlande, Belgien und Frankreich nach Italien. Insgesamt 33 Stunden zwischen Berlin und Kleve, sowie 16,5 Stunden zwischen Brüssel und Lyon können bisher heute nicht nachvollzogen werden. Fast zwei Tage in einem Zeitraum, in dem auch der Auffenthaltsort von Bilel ben Ammar nicht ermittelt werden konnte. Für die Obleute liegt nahe, ben Ammar könnte die Flucht des Attentäters maßgeblich unterstützt haben.

Seltsam unambitioniert

Zeuge Glorius gerät zusehends unter Druck. Auch aus Kreisen der CDU/CSU fragen Klaus-Dieter Gröhler und Detlef Seif mit Nachdruck zu den Pannen und Zeitverzögerungen bei der Spurensicherung nach dem Anschlag, die dafür sorgten, dass die Fahndung nach dem Attentäter erst mit wesentlicher Verspätung eingeleitet wurde.

Konstantin von Notz fragt zum LKW und den Ereignissen, bevor der Fahrer Łukasz U. durch den Attentäter erschossen wurde. Łukasz U. hatte eine Software auf seinem Smartphone installiert, die seine Telefongespräche am Tag vor dem Attentat aufgezeichnet hatte. Daraus geht hervor, dass es am Vorabend, noch vor Erreichen des Ladeortes in Berlin, Eindringversuche in die Fahrerkabine des LKW gab, die Łukasz U. abwehren konnte. Glorius ist dazu nichts bekannt und er sieht auch keine weiteren Ermittlungsansätze.

Die wohl größte Ungereimtheit, die die Obleute in den Abendstunden hinterfragen, ist die Vernehmung von Bilel ben Ammar. Das BKA führte insgesamt drei Vernehmungen durch, die zusammengenommen nur ca. dreieinhalb Stunden dauerten. In der ersten Vernehmung machte Bilel ben Ammar Angaben, die die Ermittler zunächst als glaubhaft einordneten. Seine Nervosität erklärten sie arglos mit der ungewohnten Situation einer Vernehmung.

Als ben Ammar in der zweiten Vernehmung dann eingesteht, in der ersten Vernehmung gelogen zu haben und eine neue Geschichte erzählt, gelangen die Ermittler zu dem Schluss, ben Ammar sei als Zeuge unbrauchbar. Die Obleute im Ausschuss können diese Begründung nicht nachvollziehen. Email-Verkehr, der den Obleuten vorliegt legt nahe, dass zum Zeitpunkt der Vernehmung hauptsächlich die schnelle Abschiebung ben Ammars im Vordergrund stand und nicht die Frage nach einer Tatbeteiligung.

Der Ausschussvorsitzende Armin Schuster fragt nach dem Grund für das unerklärliche Verhalten des BKA. Schuster räumt ein, dass auch er zu den Politikern gehörte, die nach dem Attentat dafür plädiert haben, Deutschland solle mögliche Gefährder schnell abschieben. Tatverdächtige schloss diese Forderung nach Ansicht von Schuster jedoch nicht ein.

Abschiebung vor Aufklärung

Die Abschiebung von ben Ammar wurde nachweislich mit Hochdruck betrieben. Glorius streitet ab, dass es Druck aus Regierungskreisen gegeben habe. Doch noch bevor wesentliche Beweismittel, wie das Smartphone ausgewertet sind, wurde ben Ammar Anfang Februar 2017 abgeschoben.

Konstantin von Notz betont, dass man den Indizien für die Tatbeteiligung ohne Eile hätte nachgehen können. Ben Ammar wurden Straftaten zur Last gelegt, nach denen er zu mehreren Monaten Gefängnis hätte verurteilt werden können. Zeit, in der das BKA sorgfältig allen Indizien hätte nachgehen können. Glorius gibt sich weiterhin arglos. Die Fotos von zwei Sperrpollern am Breitscheidplatz vor der Tat hätten für die Amokfahrt des Attentäters keine weitere Bedeutung gehabt.

Unverständnis auch für das Handeln des BKA nach der Abschiebung. Eine Überwachung habe es nicht gegeben. Lediglich der Verbindungsbeamte habe mit den örtlichen Behörden gesprochen, sagt Glorius.

Nicht der letzte BKA-Zeuge

In den kommenden Sitzungen wird der Ausschuss weitere Mitarbeiter aus dem BKA befragen und nach einer Erklärung dafür suchen, warum die Abschiebung priorisiert und die Auswertung der Beweismittel hinten angestellt wurden. Glorius verneinte politische Einflussnahme und Druck. Ob der abgeschobene ben Ammar weiterhin Kontakte zur dschihadistischen Szene in Deutschland hat, lässt sich nicht feststellen. Sein Aufenthaltsort nach der Abschiebung ist nicht bekannt.