Podcast zum 1. Untersuchungsausschuss

Schlagwort: Cordula Hallman (Seite 1 von 1)

UAPOD.Berlin – Folge 006 vom 29.11.2018

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Stella Schiffczyk
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Daniel Lücking

12. Sitzung am 29.11.2018 – Nicht schlüssig

Nicht schlüssig

Irgendetwas wird im Internet-Referat E6 im Bundesamt für Verfassungsschutz überwacht. Am Ende des Sitzungstags ist klar: Relevante islamistische Gefährder sind es nicht

Informationen zu 81 Namen fragte der Untersuchungsausschuss zum Breitscheidplatz-Attentat bei der Bundesregierung an. 42 weitere Namen gab das Innenministerium hinzu, weil man sie dort für relevant hielt. Die Namensliste der 123 klingt wie das Who’s Who der Islamistenszene. Neben Propagandisten der radikal-islamistischen Szene wird gegen einige Personen bereits im Abu-Walaa-Prozess ermittelt. Personen, die nach allgemeinem Verständnis zum Umfeld des Attentäters vom Breitscheidplatz gehörten.

Das Referat E 6 der Zeugin Cordula Hallmann kann nichts vorweisen. 123 Mal keine Erkenntnisse. 123 Mal keine Sammlung von Informationen in Facebook und anderen sozialen Netzwerken. Nicht aus offenen Quellen wie der Kommunikation in Gruppen. Nicht aus Chats und anderem Nachrichtenfluss.

Zu den genannten Personen gab es in anderen Referaten des Verfassungsschutzes allerdings Personenakten, teilweise auch Verdachtsmomente. Oder es wurde mit klassischen nachrichtendienstlichen Mitteln an den Personen gearbeitet. Der spätere Attentäter selbst war elf Mal Thema im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum GTAZ, doch offenbar erteilte niemand den Auftrag, Erkenntnisse zur Person im Internet zu sammeln.

„Maximal unglaubwürdig“, twittert die Obfrau der Linken Martina Renner. „Auf der Liste standen der IS-Prediger Abu Waala, der mutmaßliche Mittäter Bilel Ben Ammar, Kontaktpersonen aus der Fussilet-Moschee und viele andere mehr. Und zu denen will das BfV keine Erkenntnisse im Internet erhoben haben?“

Auch der Ausschussvorsitzende Armin Schuster ist irritiert, dass weder Facebook- noch WhatsApp-Accounts des Attentäters überwacht wurden. „Ich war sehr überrascht, dass das nicht zum Standardrepertoire gehört im Fall eines islamistischen Gefährders, der zwar einer von vielen war, trotzdem aber vom BfV selbst auch als herausgehoben bewertet wurde“, sagte Armin Schuster (CDU/CSU) nach der Sitzung. „Es wurde ja einiges unternommen wie die Vorlage von Lichtbildern. Und gerade weil diese Lichtbildvorlagen gescheitert sind, hätte ich mir bei so vielen Fragezeichen vorgestellt, dass man seine Kommunikation und Aktivitäten in sozialen Medien anschaut. Das hat mich sehr überrascht.“

Maximal unglaubwürdig

Nicht nur die prominenten Namen auf der Liste der 123 machen stutzig. Selbst der spätere Attentäter hatte bereits eine Gefängnisstrafe in Italien verbüßt und dort einen Eintrag in das Schengener Informationssystem erhalten. In Deutschland hatte er Kontakt zu Abu Walaa, der via Facebook, Youtube und Telegram predigt und schon deshalb ein Fall für den Arbeitsbereich der Zeugin Hallmann hätte sein müssen.

Darüber hinaus gab es Hinweise ausländischer Nachrichtendienste in Richtung der deutschen Behörden. Eigentlich genug Anlass, um alle zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle des späteren Attentäters zu überwachen sowie das sichtbare digitale Kontaktumfeld zu prüfen. Doch nach Aussage von Zeugin Hallmann passierte nichts dergleichen.

Weder per Hand noch automatisiert wurden die digitalen Kanäle überprüft, obgleich die Sicherheitsbehörden in Deutschland eine Reihe an Programmen zur Analyse digitaler Vernetzungen und Kommunikationskanäle nutzen. Darunter auch XKEYSCORE, das beim Verfassungsschutz angeblich nur in einem Testbetrieb lief, aber in den Jahren vor dem Attentat mit Daten aus dem Bereich des islamistischen Extremismus gespeist wurde, wie Martina Renner hervorhob.

Sichtlich ins Stocken geriet Zeugin Cordula Hallmann, als sie nach den Übersetzungskapazitäten ihres Referates bei den Sprachen Arabisch und Türkisch gefragt wurde. „Sie haben scheinbar nicht die Kapazitäten, die Top-50-Gefährder und Verdächtige mitzuplotten und zu schauen, was treiben die eigentlich?“, schließt der Ausschussvorsitzende Armin Schuster. Als andere Erklärung bliebe nur die Annahme, dass die Online-Aktivitäten von islamistischen Gefährdern gar nicht beim Verfassungsschutz ausgewertet werden. Aber wo dann?

(Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass zu Beginn des Sitzungsgeschehens der ehemalige Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja dem Ausschuss die Zustände im Landesamt für Gesundheit und Soziales im Jahr 2015 und 2016 erörterte und der angekündigte zweite Zeuge des Bundesamtes für Verfassungsschutz Carlo Macri nur in geheimer Sitzung vernommen werden soll.)