Die Bundesregierung agitiert am Ausschuss und offenbart ihr eigenes staatswohlgefährdendes Verhalten – von Aufklärung ist man aber weit entfernt.
In einem zweiseitigen Schreiben kündigt der Vertreter des Bundesministeriums des Innern Ministerialreat Dr. Michael Vogel an, Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes BKA künftig nicht mehr unter Klarnamen vor dem Ausschuss aussagen zu lassen. Vogel offenbart aber auch seine Sicht auf die Medien, die den Ausschuss begleiten.
Nach 14 Monaten Ausschussarbeit fällt nun auf, dass es das Staatswohl gefährden könnte, wenn in öffentlichen Sitzungen die Klarnamen der Mitarbeiter verwendet werden. Laut Vogel könne man die Mitarbeiter aus sicherheitsempfindlichen Bereichen nicht mehr schützen, wenn ihre Namen über die Presse in die Öffentlichkeit gelangen würden. Auch die bildliche Darstellung in Form von Zeichnungen wird problematisiert.
Vogel beklagt, dass insbesondere die Veröffentlichung in Social Media die Mitarbeiter gefährden würde, da man es dort mit einer „nicht kontrollierbaren Öffentlichkeit“ zu tun habe. Aufmerksamkeit, die das BKA nicht will.
Vogel ist damit ganz auf der Linie des Ausschussvorsitzenden Armin Schuster (CDU/CSU). Im Blick auf dessen Twitter- und Facebook-Aktivitäten fällt auf, dass dort seine Arbeit als Ausschussvorsitzender quasi nicht stattfindet. Auch der Blick in den sitzungswöchentlich erscheinenden Newsletter zeigt, dass Schuster über den Ausschuss nicht reden möchte. Seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird dieses Verhalten unterstützt. Pressemeldungen oder Einladungen zu Hintergrundgesprächen finden nicht statt. Ein Musterbeispiel, wie ein unliebsames Thema kleingehalten werden kann.
Autoritäres Wunschdenken
Öffentlichkeit muss nach der Auffassung von Dr. Vogel kontrollierbar sein, wie das Schreiben zeigt. Gemeint ist damit offenbar die Saalöffentlichkeit, die auf der Tribüne oberhalb der Obleute und Regierungsvertreter dem Sitzungsgeschehen beiwohnen kann. Dass zahlreiche Opfer und Hinterbliebene den sitzungswöchentlichen Weg zu unkalkulierbar langwierigen Sitzungen nicht schaffen, ist dabei eingepreist.
Vogel leitet aus den Aktivitäten der Medien am öffentlichen Ausschussgeschehen nun im Nachhinein ein staatswohlgefährdendes Verhalten ab, statt das generelle Versäumnis des BKA und des Innenministeriums als ursächlich dafür zu benennen. Entlang des Sitzungsgeschehens ist das Innenministerium allerdings mit keinen unzumutbaren Herausforderungen konfrontiert. Die Begleitung der öffentlichen Sitzungen erfolgt via Social Media, wie schon in Untersuchungsausschüssen zum NSU oder zur NSA-Affäre, in denen ebenfalls Beamte des BKA mit sicherheitsrelevanten Aufgaben aussagten.
Das Verhalten ist für die Bundesregierung nicht ungewöhnlich, die ihre Presseberichterstattung an immer mehr Stellen am liebsten selbst übernimmt.
Opfer und Hinterbliebene wurden nun durch das
Innenministerium zu einem für den 23. Mai geplanten Zusammentreffen mit
Bundesinnenminister Seehofer eingeladen. Eine geschlossene Gesellschaft
ist geplant. Medien sind – auch als stille Beobachter – nicht erwünscht.
Hausgemachte Öffentlichkeitsarbeit abseits kritischer Nachfragen
Strikte
Vorgaben für die Berichterstattung rund um und für Fotos von der
Kanzlerin, Autorisierungsforderungen an Redaktionen, bevor Interviews
veröffentlicht werden dürfen, und Aktivitäten auf Youtube, mit denen das
historisch gewachsene Verbot, einen eigenen Regierungs-TV-Sender zu
betreiben, unterlaufen wird – die Vorstellungen, welches Bild vom
Handeln der Regierung in die Öffentlichkeit soll, passen immer öfter
nicht zur kritischen Berichterstattung der Pressevertreter.
Auch das Pressereferat des Bundestages zieht mit. Seit September 2018
wird der Fachpresseausweis durch den Bundestag nicht mehr anerkannt.
Eine Presseakkreditierung, die Journalist_innen einen kurzfristigen
Besuch in Abgeordnetenbüros oder in öffentlichen Sitzungen des
Parlaments ermöglicht, ist damit für immer weniger Journalist_innen
erreichbar.
Zeugen ohne Jagdinstinkt
Das Sitzungsgeschehen verlief unspektakulär und langwierig. Der
Kriminalhauptkommissar A.S., der im Laufe der Jahre 2015 und 2016 in
mehreren Ermittlungskontexten im Bereich des Dschihadismus tätig war,
konnte wenig am bisherigen Gesamtbild ändern. „Letzenendes ist es weder meine Gehaltsstufe noch meine Aufgabe, solche Schlüsse zu ziehen“, gibt A.S. zu Protokoll, als er nach Verbesserungsbedarf in seinem Arbeitsumfeld gefragt wird.
Für
den 36-Jährigen gibt es keine Gründe, an der Einzeltäterthese zu
zweifeln, und auch die zahlreichen Anzeichen, für Freunde und
Unterstützer des Attentäters lassen A.S. nicht davon abrücken, dass ein
Einzeltäter und nicht etwa ein Netzwerk aus Dschihadisten agierte. A.S. geht soweit, die Einzeltäterthese als Fakt zu präsentieren, und wird
von Mahmut Özdemir (SPD) ermahnt, keine Fakten zu kommunizieren, wo ein
„Ich weiß es nicht“ angesichts der zahlreichen Zweifel und Hinweise
angebracht ist.
Das BKA trennt strikt zwischen der
Tat, die der Attentäter als Einzeltäter durchgeführt hat, und dem
Vorfeld der Tat, als der spätere Attentäter zahlreiche Kontakte hatte,
zu denen aber nicht jede Kommunikation zu belegen ist. So verschwand der
spätere Attentäter für gut eine Stunde in einer Moabiter Moschee, die
durch das BKA nicht durchdrungen werden konnte. Möglich ist, dass der
spätere Attentäter dort die Waffe erhielt, mit der kurz darauf den
LKW-Fahrer am Friedrich-Krause-Ufer erschoss.
Angesichts der
vielen Ermittlungslücken, die insbesondere auf der Flucht darauf
hindeuteten, dass der Attentäter Hilfe gehabt haben könnte, wäre eine
seriöse Aussage zur Einzeltäterthese derzeit, dass man diese These nicht
lückenlos belegen kann und dass die hohe Anzahl von Kontakten es
wahrscheinlich macht, dass die Anschlagsplanung bekannt war. Weitere
Spuren führen nach Frankreich, und die Obleute sehen Anzeichen für eine
damals vorgesehene parallel verlaufende Attentatsserie. Doch auch hier
fehlt es dem BKA am Willen, weitere Nachforschungen in der
Öffentlichkeit einzuräumen.
Für
den Wunschzeugen der Opposition – Herrn C – der als V-Personenführer
relevante Aussagen zum Umgang mit Menschen aus dem direkten Umfeld des
späteren Attentäters machen kann, bleibt nach dem langen Sitzungstag
noch ein knapp bemessenes Zeitfenster von zwei Stunden.
Natürlich nur in nicht-öffentlicher Sitzung. Die zuvor vorgelegten
Unterlagen lassen durch die teils seitenlangen Schwärzungen allerdings
auch wenig Raum für die Entwicklung einer Fragestrategie. Mitarbeiter
und Obleute twitterten in den letzten Tagen immer wieder Bilder dieser
Schwärzungsexzesse. Die parlamentarische Aufklärung und Kontrolle ist
von der Bundesregierung weiterhin nicht gewollt.