Podcast zum 1. Untersuchungsausschuss

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18. Sitzung vom 14.03.2019 – Tatort Krefeld: Der Anruf des Herrn Elka

Die Zeugenaussage eines Krefelder Kriminalkommissars fördert einen künftigen Zeugen zu Tage. Beifang an einem ereignisarmen Tag.

Zeuge Wolfgang D. wäre die Idealbesetzung, sollte die ARD irgendwann einmal einen Tatort in Krefeld drehen. Jargon, Auftreten und nicht zuletzt die schwarze Lederjacke suggerieren einen Ermittler, bei dem sich Kriminelle ordentlich Ärger einfangen können.

Im Fall des späteren Attentäters begann Wolfgang D. zunächst eine verdeckte Ermittlung und ging den Hinweisen des Heimbewohners Lokmann D. nach. Unter einem Vorwand lud er ihn in die Ausländerbehörde ein. Die Hinweise deuteten darauf hin, dass der spätere Breitscheidplatz-Attentäter nicht nur als Sozialbetrüger unterwegs war, sondern auch mit dem IS sympathisierte.

Wolfgang D., KHK Krefeld

Doch schon kurz nach dem Gespräch im Oktober 2015 meldete sich im November 2015 das LKA aus Nordrhein-Westfalen und pfiff Wolfgang D. zurück. Am Telefon äußerte Herr Elka, er sei aus der Ermittlungskommission Ventum. Man hätte die Zielperson, die Wolfgang D. untersuchte, ebenfalls im Blick, und seine Ermittlungen würden die der EK Ventum gefährden. „In jedem zweiten Tatort gibt es so einen Fall“, sagt der Ausschussvorsitzende Armin Schuster (CDU) und hakt nach: „In jedem zweiten Tatort macht der Kommissar dann aber weiter. Wie war das bei ihnen?“

Doch schon kurz nach dem Gespräch im Oktober 2015 meldete sich im November 2015 das LKA aus Nordrhein-Westfalen und pfiff Wolfgang D. zurück. Am Telefon äußerte Herr Elka, er sei aus der Ermittlungskommission Ventum. Man hätte die Zielperson, die Wolfgang D. untersuchte, ebenfalls im Blick, und seine Ermittlungen würden die der EK Ventum gefährden. „In jedem zweiten Tatort gibt es so einen Fall“, sagt der Ausschussvorsitzende Armin Schuster (CDU) und hakt nach: „In jedem zweiten Tatort macht der Kommissar dann aber weiter. Wie war das bei ihnen?“

Standard-Drehbuch

Auch Wolfgang D. ermittelte weiter. Nicht ganz so spektakulär, wie es die Drehbuchautoren für einen Tatort ersinnen würden. Doch sein Bauchgefühl sagte ihm, dass der Fall nochmal relevant werden würde. Eine Kopie der dünnen Akte blieb auf seinem Tisch und wurde gut zehn Monate später im August 2016 wieder zum Thema. Nach einer Razzia in einem Reisebüro in Duisburg wurde der spätere Attentäter als einer der Schüler des Hasspredigers Abu Walaa identifiziert. Wolfgang D. gab den Fall als Prüffall Islamismus an den zuständigen Bearbeiter ab. Für das Bauchgefühl des Ermittlers interessierte sich danach aber niemand mehr. Weder Wolfgang D. noch sein Kollege, Kriminalhauptkommissar K., wurden von der BAO City befragt, der Ermittlergruppe, die nach dem Anschlag im Dezember 2016 die Hinweise zum Attentäter zurückverfolgen sollte.

Im Blick der Behörden

Die Zahl der Behörden, unter deren Augen der spätere Attentäter weitestgehend ungehindert agieren konnte, wächst von Sitzung zu Sitzung. Bedauerlich nur, dass Zeugen mitunter nicht genau erläutern können, mit welchen Behörden sie in Kontakt waren. So beschreibt der Asylbetreuer Wilhelm Berg, fleißig weitergemeldet zu haben, was ihm ungewöhnlich vorkam. Schließlich hätte es sich um eine Weisung seiner Vorgesetzten gehandelt, die ihn schon im September 2015 auf eine Problematik mit dem späteren Attentäter hingewiesen und ihn dazu angehalten hätten zu beobachten, zu melden, aber nichts darüber hinaus zu unternehmen.

Wilhelm Berg, Flüchtlingsunterkunft Emmerich

Im späteren Kontakt mit Ermittlern reichte dem Zeugen Berg die grobe Einordnung „Staatsschutz“. Er fragte nicht näher nach, ob es sich um Verfassungsschutz, Polizei oder eine andere Organisation handelte. Vorgestellt hatten sich die ermittelnden Herren schließlich bei seinem Vorgesetzten. Für Berg reichte das.

Herr K., KHK Krefeld

Auch Kriminalhauptkommissar K. äußert Verständnis für Geheimhaltung. Seiner Ansicht nach ist diese unerlässlich. Er erlebte im Fall des Attentäters, dass interne Dokumente, wie zum Beispiel Personagramme des späteren Attentäters, sehr schnell an die Presse gelangt waren. Eines dieser Personagramme wurde wenige Tage vor dem Anschlag mit dem Hinweis „nachrichtendienstliche Beobachtung“ ergänzt. Von wem diese Ergänzung vorgenommen wurde, weiß K. jedoch nicht. Es ist auch kurz vom Bundesnachrichtendienst die Rede, aber eher auf einer unpräzisen Ebene, weil ein Polizeikollege eine Andeutung gemacht hätte, dessen Einschätzung eigentlich immer gut sei.

Abschirmung

So langwierig und redundant die Befassung mit manchen Zeugen im Untersuchungsausschuss mitunter ist, so sehr zementieren Aussagen wie die der Mitbewohner, Betreuer und ermittelnden Polizeibeamten, dass die Gefährlichkeit des späteren Attentäters nicht zu übersehen war.

Kopfschütteln und Unverständnis zeigen auch die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden des Anschlags angesichts der Ermittlungstaktik, die von Landeskriminal- und Verfassungsschutzämtern an den Tag gelegt wurde: Gewähren lassen. Geheim halten. Nicht einschreiten.

UAPOD.Berlin – Folge 006 vom 29.11.2018

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Stella Schiffczyk
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Daniel Lücking

12. Sitzung am 29.11.2018 – Nicht schlüssig

Nicht schlüssig

Irgendetwas wird im Internet-Referat E6 im Bundesamt für Verfassungsschutz überwacht. Am Ende des Sitzungstags ist klar: Relevante islamistische Gefährder sind es nicht

Informationen zu 81 Namen fragte der Untersuchungsausschuss zum Breitscheidplatz-Attentat bei der Bundesregierung an. 42 weitere Namen gab das Innenministerium hinzu, weil man sie dort für relevant hielt. Die Namensliste der 123 klingt wie das Who’s Who der Islamistenszene. Neben Propagandisten der radikal-islamistischen Szene wird gegen einige Personen bereits im Abu-Walaa-Prozess ermittelt. Personen, die nach allgemeinem Verständnis zum Umfeld des Attentäters vom Breitscheidplatz gehörten.

Das Referat E 6 der Zeugin Cordula Hallmann kann nichts vorweisen. 123 Mal keine Erkenntnisse. 123 Mal keine Sammlung von Informationen in Facebook und anderen sozialen Netzwerken. Nicht aus offenen Quellen wie der Kommunikation in Gruppen. Nicht aus Chats und anderem Nachrichtenfluss.

Zu den genannten Personen gab es in anderen Referaten des Verfassungsschutzes allerdings Personenakten, teilweise auch Verdachtsmomente. Oder es wurde mit klassischen nachrichtendienstlichen Mitteln an den Personen gearbeitet. Der spätere Attentäter selbst war elf Mal Thema im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum GTAZ, doch offenbar erteilte niemand den Auftrag, Erkenntnisse zur Person im Internet zu sammeln.

„Maximal unglaubwürdig“, twittert die Obfrau der Linken Martina Renner. „Auf der Liste standen der IS-Prediger Abu Waala, der mutmaßliche Mittäter Bilel Ben Ammar, Kontaktpersonen aus der Fussilet-Moschee und viele andere mehr. Und zu denen will das BfV keine Erkenntnisse im Internet erhoben haben?“

Auch der Ausschussvorsitzende Armin Schuster ist irritiert, dass weder Facebook- noch WhatsApp-Accounts des Attentäters überwacht wurden. „Ich war sehr überrascht, dass das nicht zum Standardrepertoire gehört im Fall eines islamistischen Gefährders, der zwar einer von vielen war, trotzdem aber vom BfV selbst auch als herausgehoben bewertet wurde“, sagte Armin Schuster (CDU/CSU) nach der Sitzung. „Es wurde ja einiges unternommen wie die Vorlage von Lichtbildern. Und gerade weil diese Lichtbildvorlagen gescheitert sind, hätte ich mir bei so vielen Fragezeichen vorgestellt, dass man seine Kommunikation und Aktivitäten in sozialen Medien anschaut. Das hat mich sehr überrascht.“

Maximal unglaubwürdig

Nicht nur die prominenten Namen auf der Liste der 123 machen stutzig. Selbst der spätere Attentäter hatte bereits eine Gefängnisstrafe in Italien verbüßt und dort einen Eintrag in das Schengener Informationssystem erhalten. In Deutschland hatte er Kontakt zu Abu Walaa, der via Facebook, Youtube und Telegram predigt und schon deshalb ein Fall für den Arbeitsbereich der Zeugin Hallmann hätte sein müssen.

Darüber hinaus gab es Hinweise ausländischer Nachrichtendienste in Richtung der deutschen Behörden. Eigentlich genug Anlass, um alle zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle des späteren Attentäters zu überwachen sowie das sichtbare digitale Kontaktumfeld zu prüfen. Doch nach Aussage von Zeugin Hallmann passierte nichts dergleichen.

Weder per Hand noch automatisiert wurden die digitalen Kanäle überprüft, obgleich die Sicherheitsbehörden in Deutschland eine Reihe an Programmen zur Analyse digitaler Vernetzungen und Kommunikationskanäle nutzen. Darunter auch XKEYSCORE, das beim Verfassungsschutz angeblich nur in einem Testbetrieb lief, aber in den Jahren vor dem Attentat mit Daten aus dem Bereich des islamistischen Extremismus gespeist wurde, wie Martina Renner hervorhob.

Sichtlich ins Stocken geriet Zeugin Cordula Hallmann, als sie nach den Übersetzungskapazitäten ihres Referates bei den Sprachen Arabisch und Türkisch gefragt wurde. „Sie haben scheinbar nicht die Kapazitäten, die Top-50-Gefährder und Verdächtige mitzuplotten und zu schauen, was treiben die eigentlich?“, schließt der Ausschussvorsitzende Armin Schuster. Als andere Erklärung bliebe nur die Annahme, dass die Online-Aktivitäten von islamistischen Gefährdern gar nicht beim Verfassungsschutz ausgewertet werden. Aber wo dann?

(Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass zu Beginn des Sitzungsgeschehens der ehemalige Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja dem Ausschuss die Zustände im Landesamt für Gesundheit und Soziales im Jahr 2015 und 2016 erörterte und der angekündigte zweite Zeuge des Bundesamtes für Verfassungsschutz Carlo Macri nur in geheimer Sitzung vernommen werden soll.)